Weinrallye 52: Klimawandel im Weinberg und ein Pinot Noir von Chapel Down

Es soll ja Weinfirmen geben, die sich bereits in Norwegen Flächen gesichert haben, um dort irgendwann Wein anzubauen. Ob das stimmt weiss ich nicht und es erscheint mir auch ein bisschen absurd. Doch allein, dass es stimmen könnte, weißt auf ein Phänomen hin, dass so ziemlich jeder Winzer deutlich in seinem eigenen Weinberg verfolgt. Es ist die Klimaerwärmung, ein Thema, dass im letzten Jahr Gegenstand einer internationalen Konferenz war, bei der sich auch so illustre Persönlichkeiten wie Al Gore und Kofi Annan eingefunden hatten. Zwar gibt es in den konservativen Kreisen der USA immer noch Politiker, die sich ernsthaft so bezeichnen und die globale Erwärmung negieren, doch ansonsten ist dies mittlerweile eine allgemein akzeptierte Tatsache.

Für uns in Deutschland als sehr gemäßigt warmer Fleck bedeutet dies heute schon, dass Torsten Goffin, der die 52. Weinrallye ausrichtet und die Auswirkungen des Klimawandels zum Thema seiner Wahl gemacht hat, einen deutschen Syrah aus der Pfalz auf dem Tisch haben kann. Etwas, was vor zehn Jahren, na vielleicht vor 15 Jahren noch kaum jemand für möglich gehalten hat. Vor zehn Jahren waren die Syrah-Stöcke eines gewissen Herrn Hanspeter Ziereisen nämlich schon längst gepflanzt und 2003 kam der erste Wein auf die Flasche, der übrigens damals keine geringere als Jancis Robinson so überrascht hat, dass sie direkt zwei Flaschen mit zu einem internationalen Syrah-Tasting nach London mitgenommen hat, wo er dann auch direkt prämiert wurde. Abgesehen davon war es natürlich ein Wagnis und auch ein Risiko, einen solchen Wein in Deutschland machen zu wollen. Zudem war 2003 heiß und entsprechend reif wurden die Reben. 2004 hat Ziereisen den Syrah dann im Zunderobsi verschnitten, da hätte die Qualität nicht gereicht. Doch mit den Jahren funktioniert das immer besser und wenn die Knipsers jetzt schon Syrah in der Pfalz anbauen, und die Pfalz ist nicht Baden, die Temperaturen sind eigentlich wieder andere, dann muss sich doch was verändert haben.

Diese Veränderungen werden fortschreiten, existenzbedrohend werden sie in Deutschland wohl auf absehbare Zeit kaum sein. Allerdings gibt es natürlich Lagen, die per se besonders heiß werden und wenn ein Winzer wie der Florian Weingart am Mittelrhein fast ausschließlich Besitz in solchen Lagen hat, muss er sehen, wie es auf Dauer weitergeht. Seine Rieslinge stehen im Bopparder Hamm, einer Lage, die wie ein Amphitheater gewölbt und nach Süden hin ausgerichtet ist, und trotz des kühlenden Rheins äußerst heiß werden kann. In Jahr 2011 konnte der Winzer keine trockene Spätlese keltern. Und er ist berühmt für seine trockenen Spätlesen. Er kann genauso gut feinherbe Spätlesen oder sogar süße. Doch sind diese halt am Markt nicht so begehrt. Für Weingart heißt dies unter anderem, dass er Lagen dazu kaufen muss und neu bewirtschaften wird, die eben nicht in diesen heißen Zonen stehen.

Ein fast aberwitzig anmutendes Phänomen ist der Weinanbau in Holland und Belgien.  Was, wenn wir von BeNeLux sprechen, in Luxembourg am Moselufer lange Tradition hat, wirkt in den anderen beiden Ländern teilweise etwas gewollt – auch wenn bereits die Römer in Belgien Wein angebaut haben wussten die Mönche schon warum sie später auf Bier umgestellt haben. Doch die Winzer, die dort Wein anbauen sind sehr ernsthaft bei der Sache und entsprechend will ich dieses Engagement nicht klein reden. Noch wird der Wein, der meist aus pilzresistenten Reben entsteht, in Holland meist in Treibhäusern angebaut und alle möglichen Kellerverfahren wie Entsäuerung etc. sind nicht die Ausnahme sondern die Regel. Das könnte sich ändern und ich bin gespannt, wie sich die Weinqualität dort entwickeln wird.

Bedrohlich wird die Klimaveränderung mit Sicherheit in Australien und Kalifornien. Eine ganze Reihe von Experten halten es für möglich, dass Weinbau in Kalifornien um 2030 herum praktisch nicht mehr möglich sein wird. Schon heute sind einige technische Verfahren üblich, um den Weinen Alkohol zu entziehen oder Weine nachzusäuern. Gerade bei Massenweinen wird bereits kräftig getrickst, wahrscheinlich ebenso bei den ganz teuren Weinen, wo sich der finanzielle Aufwand dann auch wieder lohnt. Auf jeden Fall kann man genau in diesen beiden Ländern feststellen, dass immer neue Anbaugebiete entstehen, mitten in den USA oder in Arizona, häufig in so genannten Cool Climate Areas, wo es keine Weinbautradition gibt sondern lediglich neue Möglichkeiten.

Eine spannende Frage wird sein, wie es im wichtigsten und teuersten Weinbaugebiet der Welt auf Dauer weitergehen wird, denn auch die Bordeaux-Weingüter, teils mit hervorragenden Böden und mehr oder weniger perfektem Mikroklima ausgestattet, merken den Wandel. Sowhl der Alkohlgehalt wie auch der Charakter der Weine hat häufig nicht mehr viel mit Bordeaux im klassischem Sinne zu tun (was teils auch an einer speziellen, provozierten Stilistik zu tun hat aber das ist ein anderes Thema). Christian Schiller wirft eine Frage auf, die ich mir auch gestellt habe, nämlich die, ob früher häufig anzutreffende Rebsorten, die im Laufe der Zeit fast gänzlich aus den bordelaiser Weinbergen verschwunden sind, auf Dauer wieder Einzug halten könnten? Ich bin gespannt ob Malbec oder Carmenère, jene Sorten die derweil in Argentinien und Chile Erfolge feiern, hier wieder hoffähig werden. Bei einigen weniger bekannten und kleineren Weingütern, vor allem auf der rechten Seite der Gironde jedenfalls finden sich wieder Malbec, auch reinsortige, wie man auf dem Bild sieht. Und auch im Südwesten Frankreichs feiert der Malbec eine Renaissance, in teils hervorragender Qualität.

Wie auch immer, ich erinnere mich derweil an einen Wein, den es vor zehn Jahren wahrscheinlich auch noch nicht gab – definitiv jedenfalls nicht in dieser Qualität. Dass in England guter Schaumwein entsteht, ist mittlerweile mehr als nur einem Fachpublikum bekannt. Das Klima darf für solche Weine ruhig kühler sein und da es im Südosten der Insel praktisch die gleichen Kreideböden gibt wie in der Champagne und im Chablis, sind die Vorraussetzungen gut. Bei Stillweinen sieht das anders aus. Hierfür müssen die Weine länger am Stock ausreifen – was lange nicht möglich war. Auch in England hat man sich mit Tricks und speziellen Rebsorten zu helfen gewusst. Mittlerweile aber gibt es hier und da Weine, die ernstgenommen werden wollen. Einer davon ist der Chapel Down Pinot Noir 2009. Auch wenn sich hier einige herbe, leicht grüne, jedoch nicht störende Noten finden, dominiert eine schöne, leicht süßliche Kirschfrucht, unterlegt mit ein paar Erdbeeren. Am Gaumen wirkt der Pinot sehr frisch mit einer klaren aber akzeptablen Säure. Auch hier finden sich grün-herbe Noten, die mit Sicherheit nicht dort zu finden wären, wenn der Pinot  in einer etwas wärmeren Gegend hätte reifen können. Nichtsdestotrotz schmeckt dieser Wein, er ist einfach aber angenehm, unkompliziert aber nicht langweilig. Ich habe ihn letztes Jahr vor Ort probiert und war ausgesprochen positiv überrascht. Das ist also das bisschen Positive bei einem für viele doch eher düsteren Ausblick.

Die Weinrallye wurde ins Leben gerufen von Thomas Lippert. Ihm gebührt Dank. In seinem Blog finden sich auch alle weiteren Informationen. Danke Torsten, für das Thema und die Betreuung.

7 Kommentare

  1. […] Christop Raffelt verfolgt das Thema gewohnt tiefgründig und kompetent. Das Hanspeter Ziereisen mit seinem Syrah ein Thema sein würde, davon war ich vorab überzeugt. Aber auch vom Malbec im Bordeaux ist die Rede, ebenso wie von Winzer Florian Weingart und seien Schwierigkeiten in bestimmten, heißen Lagen. Der Wein, den er abschließend verkostet, stammt – genau wie bei Chez Matze – nicht nur auch aus England, sondern auch von Chapel Down. […]

  2. Lustig, dass Du ausgerechnet dasselbe Weingut in England ausgesucht hast wie ich. Und interessant, dass diesmal bei keinem Blogartikel irgendwo andere Kommentare stehen als Pingbacks. Scheint wohl eine Sache “von uns für uns” zu sein, diese Weinrallye… Hoffe, Dir geht’s gut in HH!

  3. Nun, Matze, sonst stünde hier sicherlich auch noch ein Kommentar von mir. Aber meine Kapazitäten wurden von der Zusammenfasssung ganz und gar gebunden. Und, wo ich jetzt gerade noch einmal nach der Rallye nachgelesen habe, eine schnelle Anmerkung denn doch noch. Christoph, Du schreibst:

    2004 hat Ziereisen den Syrah dann im Zunderobsi verschnitten, da hätte die Qualität nicht gereicht. Doch mit den Jahren funktioniert das immer besser und wenn die Knipsers jetzt schon Syrah in der Pfalz anbauen, (…)

    Der Satz erweckt den Eindruck, als wenn der Knipser Syrah jünger wäre. In Wahrheit steht er dort auch schon seit 1993. Wenn ich richtig gerechnet habe, tut das der Ziereisen-Syrah auch. Vermutlich im gleichen Jahr nach der Versuchsanbau-Freigabe gleich gepflanzt.

  4. Christoph

    @chezmatze: Ja, das Gefühl, dass die Weinrallye komplett im eigenen Saft schwimmt, habe ich auch schon länger. Und bei der Analyse der Zahlen durch Google-analytics bei meinem letzten Thema hat sich das auch bestätigt, leider. Ich fand es auch lustig mit Chapel Down. Als ich morgens deinen Artikel sah, habe ich noch überlegt, ob mir was anderes einfällt, ich hatte aber nix. 🙂 Hamburg ist sehr gut. Bis auf die Pendelei und die enervierende Wohnungssuche macht es sehr viel Spaß, muss ich sagen. Erläutere ich gerne bei einem Gläschen Wein. Am 21.07. bist du wahrscheinlich nicht zufällig in Köln und hasst zeit?

    @Marqueee: Das war unpräzise, ja. Natürlich müssen die Stöcke da schon einige Jahre stehen. Dass sie schon 1993 gepflanzt worden sind, wußte ich nicht.

  5. Ich liebe diese Website, ich komme aus Spanien und ich lerne Deutsch, ist eine schöne Sprache, viel lese dein Blog, es ist sehr unterhaltsam

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