2011er Große Gewächse Rheingau, Franken, Baden – ein kleines Probenfazit

Letzte Woche Montag war ich noch mal im Louis C. Jacob, um beim Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) die Großen Gewächse aus dem Rheingau, Franken, Baden und Württemberg zu probieren. Ich sage direkt, ich konnte nicht die gesamte Zeit verweilen, und so musste ich dieses Jahr Württemberg außen vor lassen. Das ist schade, jedoch leider nicht zu ändern. ich habe mich schlichtweg zu lange im Rheingau aufgehalten, bildlich gesprochen. Nicht weil ich musste, sondern weil ich wollte. Das hat mir in diesem Jahr viel mehr Spaß gemacht als in den Jahren zuvor.

Rheingau
Es tut sich was im Rheingau. Das postuliert nicht nur Dirk Würtz, das kann man auch schmecken – unter anderem und nicht zuletzt bei Dirk Würtz und seinen Weinen, die er bei Balthasar Ress gemacht hat. Doch dazu später. Ich habe mich im letzten Artikel zu den Großen Gewächsen dazu entschieden, ein besonderes Gewächs hervorzuheben und eine Kollektion. Diese Idee wird dann kompliziert, in die Tat umgesetzt zu werden, wenn die Kollektionen so unterschiedlich umfangreich sind: Ein Winzer bringt zwei Weine mit, der andere sechs. Und im Rheingau beispielsweise viel es mir wirklich schwer. Sowohl bei der Einzelbewertung, als auch bei der Kollektion. Trotzdem habe ich mich entschieden, und diese Entscheidung ist ein Statement, und zwar eins für den Einzug der Moderne in dieser Traditionsweinlandschaft. Es ist immer so eine Sache mit der Tradition, vor allem, wenn man sich auf ihr ausruht. Und wenn dann Weine entstehen, die eigentlich nicht mehr zur Qualitätsspitze gehören. Darüber ist in letzter Zeit viel geschrieben und diskutiert worden – die Problematik gut zusammengefasst findet man bei vinositas. Bei der GG-Probe jedoch musste ich feststellen, das sich etwas tut. Hier finden sich vielleicht nicht die überragenden Weine eines Keller, Wittmann oder Battenfeld-Spanier, hier finden sich jedoch Große Gewächse, die ihren Namen verdienen und die in ihrer Stilistik sehr unterschiedlich sind – nicht nur, was Lagentypizität angeht. Es finden sich Weine, die ich bisher nicht unbedingt ins Rheingau verortet hätte.

Rheingau – Einzelweine
Es sind in diesem Jahr zwei Weingüter, deren Weine mich stark beeindruckt haben. Hervorheben möchte ich den Nussbrunnen von Balthasar-Ress und auch den Berg Schlossberg. Ersterer offen, mit einer faszinierenden Note von Zimt und weihnachtlichen Gewürzen. Der Wein ist gerade jetzt ungemein geschmeidig, weich und zugänglich, dabei komplex und tief. Der Berg Schlossberg wirkt etwas verschlossener (nein, kein Wortspiel), kühler, mineralischer, mit einer deutlichen Lakritznote. Dazu kommen Kräuter und ein paar Blumen. Auch diesen Riesling mag man so weg trinken aus purer Lust am Wein – auch wenn ihm Zeit noch gut tun wird. Wenn ich einen Wein aus der Kollektion der Georg-Müller-Stiftung hervorheben soll, dann ist es das Hattenheimer Schützenhaus. Spielerische Leichtigkeit triff auf ein Holzfass, das seltsamerweise mitten in einer Blumenwiese steht. Diese beiden Weine, bzw. Kollektionen von Dirk Würtz und Alf Ewald zeigen mir, wo es im Rheingau unter anderem hingehen kann und ich glaube, dass man hier in den nächsten Jahren noch Einiges erwarten kann, denn die beiden stehen bei den jeweiligen Gütern erst am Anfang. Klassischer, jedoch auch ausgezeichnet war der Berg Rottland vom Weingut Johannishof, die Hochheimer Hölle von Künstler und der Kiedricher Gräfenberg von Robert Weil, ein leiser, unaufgeregter Wein, der mir selten so zugesagt hat, wie in diesem Jahr. Etwas gereift und besonders hervorzuheben wäre für mich noch der 2010er Wisselbrunnen von Knyphausen und das 2008er Oestricher Lenchen “Rosengarten” vom Weingut Josef Spreitzer.

Rheingau – Kollektion
Wenn ich etwas nicht erwartet hatte, dann war es die im Holz gereifte Riesling-Kollektion von Alf Ewald, Beitriebsleiter der Georg-Müller-Stiftung. Die Rieslinge 2011er Hattenheimer Nussebrunnen, 2011er Hattenheimer Schützenhaus und der 2009er Hattenheimer Hassel zeigen auf beeindruckende Weise eine Alternative zu ausgetretenen Pfaden. Ich war bisher nicht unbedingt positiv eingestellt gegenüber spürbarem Holz im Riesling. Diese Weine haben mich jedoch eines Besseren belehrt. Es funktioniert also, wenn man es kann, denn die Leichtigkeit, das Verspielte, das den Riesling so einzigartig macht, geht dem Wein nicht verloren sondern stellt sich eher in einen Kontrast und in eine gleichzeitige Verbindung zu der Ernsthaftigkeit und Erdverbundenheit, die das Holz bietet. Das Gut, dass ich bis vor kurzem nur dem Namen nach kannte – vor kurzem trank ich einen ausgesprochen schönen Frühburgunder – ist eines, dass ich auf jeden Fall verstärkt im Auge behalten werde. Was mir wirklich Spaß gemacht hat war das Verweilen am Stand vom Baron Knyphausen. Nicht nur gefiel mir die aktuelle Kollektion, wir konnten auch Weine abseits der Großen Gewächse probieren, beispielsweise den Riesling Royal Blue, Imperial Yellow und Constitutional Green, Riesling-Auslesen von trocken bis süß, ebenfalls immer mit spürbarer Holznote und durchaus begeisternd.

Franken
Die Franken hatten es nicht leicht in der letzten Zeit. Hagel und vor allem Fröste haben ihnen schwer zu Schaffen gemacht. Das was bei der GG-Probe geboten wurde war jedoch meist ganz ausgezeichnet, und zwar bei Silvaner, Spätburgunder und Riesling.

Franken – Einzelweine
Der Wein, den ich in einer Vertikale von 2008 bis 2011 zuerst probiert habe, gehörte für mich auch zu den besten. Der 2011er Silvaner Kapellenberg “Mönchshof” von Bickel-Stumpf ist frisch, klar, absolut terroirbetont (Muschelkalk) und präzise, dazu balanciert und mit feiner Komplexität. So kann, ja sollte Silvaner häufiger schmecken. Ähnlich klar und fokusiert, ohne Schnörkel, jedoch etwas komplexer und cremiger die beiden Weine von Horst Sauer. Der 2011er Silvaner und Riesling aus dem Escherndorfer Lump begeisterten mich ebenso wie mindestens zwei Weine vom Weingut Rudolf Fürst, nämlich die 2010er Spätburgunder Klingenberger Schlossberg und Burgstädter Hundsrück. Das ist klassischer, deutscher Spätburgunder auf höchstem Niveau.

Franken – Kollektion
Das ist dann auch meine Wahl für meine persönliche fränkische Kollektion des Jahren: Rudolf Fürsts Riesling 2011er Bürgstädter Centgrafenberg ist ebenso gelungen wie die ganze Riege der Spätburgunder, wo mich der 2010er Hundsrück in seiner Offenheit, Frische und gleichzeitiger Tiefe genauso beeindruckt hat wie der Schlossberg, der für mich lediglich von einem einzigen badischen Spätburgunder geschlagen wurde. Der 2008er, der gereifte Schlossberg zeigt dann deutlich, wie viel Substanz und Komplexität in Zukunft zu erwarten sein wird.

Baden
Wenn man Baden nach Franken probiert, muss man aufpassen, dass einem nach den teils sehr klaren und präzisen, auf das Wesentliche reduzierten Rieslinge und Silvaner die Breite der badischen Burgunder nicht erschrickt. So habe ich eine sanfte Überleitung von fränkischen Pinots zu badischen gefunden. Ich stelle immer wiederfest, dass ich auf Weiß- und Grauburgunder meist (meist, nicht immer) verzichten kann. Sie können tolle Weine sein, aber berühren tun sie mich selten. Das hat auch heuer niemand geschafft. Bei den Pinots war das anders.

Baden – Einzelweine und Kollektion
So sind es auch die Spätburgunder-Spezialisten, die mich gepackt haben. Einzelweine und Kollektion sind hier für mich nicht zu trennen. Sie überschneiden sich und es sind genau zwei Weingüter, deren Weine mich gefesselt haben. Der 2010er Schlossberg von Bernhard Huber war für mich der Wein der Probe. Moderner als die Weine von Rudolf Fürst aus Franken, noch offener, weicher, doch ebenso komplex. Ein saftiger, jetzt schon unglaublicher leckerer Wein. Die beiden anderen Weine Hubers, der Bienenberg und die Sommerhalde stehen kaum nach, sind stilistisch jedoch anders. Großartig auch die weißen und späten Burgunder von Salwey. Wenn man die Weine nach denen Hubers probiert, haben sie es zunächst ein wenig schwer, denn die Macht der Huberschen Weine ist beeindruckend. Wenn man aus dieser Aura wieder raus ist und sich ganz den Salweyschen Weinen widmen kann, macht es Spaß. Vor allem der frische, ganz gradlinige Henkenberg gehörte für mich zu den besten Weinen des Tages.

Fazit
Neben dem Fazit des ersten Tages, das man hier nachlesen kann, würde ich mich jetzt nur wiederholen. Rheingau war spannender als erwartet, in Franken überrascht mich immer wieder die Vielfalt auf hohem Niveau und in Baden finde ich mal wieder Rotweine, in denen ich baden möchte von denen ich mir gerne eine Kiste oder zwei in den Keller legen würde. Weine, die den Spagat schaffen zwischen komplexer Tiefe lustvoller Saftigkeit.

 

P.S.: Hendrik Thoma war diesmal auch da, aber der kleine Jacob und sein Bistro hat sich unserer trotzdem nicht erbarmt.

2 Kommentare

  1. Christoph

    @Dirk Würtz, ähm, ja, Danke.

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