Ein Gavi mit Größe – Der Filagnotti von Stefano Bellotti

Ich weiß es noch wie heute, als ich das Etikett des Filagnotti das erste Mal im Bio(wein)laden meines Onkels sah. Es muss so Anfang der Neunziger gewesen sein. Gavi sagte mir noch nichts, welche Traube dahinter steckt auch nicht. Aber der Hund auf dem Etikett fiel natürlich auf. De facto war es für mich die erste Berührung mit einem Piemonteser Wein. Seitdem habe ich immer wieder Gavi probiert, der Wein, der rund um die Ortschaft Gavi entsteht und aus der Cortese-Trauben gewonnen wird. Normalerweise ist das ein ziemlich beschränkter Wein, eher zurückhaltend, im besten Falle als fein zu bezeichnen, ein guter Essensbegleiter, aber nie praktisch nie etwas, was einem wirklich in Erinnerung bleibt. Den Filagnotti habe ich im Laufe der Jahre immer wieder probiert und immer wiederneu entdeckt. Er ist so grundlegend anders als all das neutrale Zeuchs, was es sonst so auf dem Markt gibt.

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Stefano Bellotti, der Mann hinter diesem Wein, sorgt seit Mitte der Achtziger für einen konsequent gesunden Weinberg, er erntet die Trauben, die von den dortigen roten Tonerde stammen mit geringem Ertrag und vergärt sind dann spontan. Sie reifen daraufhin ein knappes Jahr auf der Feinhefe, und zwar in großen Fässern aus Akazienholz. Danach werden sie ohne Schwefelzusatz abgefüllt und verschwinden im Keller. Dort bleiben sie noch eine Zeit, so dass aktuell erst der 2011er Jahrgang auf dem Markt ist. Den hat Bellotti aber gar nicht mit auf die Vinitaly gebracht. Dort stand der 2007er. Das ist der, den er jetzt trinkt. Sieben Jahre ist dieser Cortese gereift, und das ist gut. Der wein wirkt tatsächlich auf den Punkt gereift, strukturiert, harmonisch, dabei mit perfekter Säure ausgestattet und entsprechend frisch. Der Wein trägt die für den Cortese typischen Mandelaromen mit sich. Danach übernehmen Birne und Quitte (der leicht oxydative Ausbau im großen Holzfass lässt grüßen). Dann treten Kräuter in den Vordergrund, Salbei meine ich gerochen zu haben. Dazu finden sich feine Grapefruitaromen und Stein. Die Länge ist phantastisch und bekam direkt Lust auf Gnocchi in Salbeibutter.

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Besonders auch sein gereifter Dolcetto. Das ist normalerweise ein bisschen so wie beim Gavi. Der Dolcetto wird als junger Wein getrunken, er ist ein guter Essensbegleiter und Punkt. Wenn es spannend werden soll, entscheidet man sich doch besser für Barbera oder noch besser, Nebbiolo. Nicht so beim Nibiô. Der 2006er Nibiô krempelt diese Denke genau so um wie der Filagnotti es beim Gavi tut. Auch hier bleibt der Wein erst einmal im Keller liegen. 2006 ist der aktuelle Jahrgang. Der Dolcetto der Unterart Graspo Rosso, eine sehr alte, lokale Variante, steht auf weißem Kalkstein mit Tonerde. Er wird, genau so wie der Gavi mit geringen Erträgen geerntet und spontan über 40 Tage vergoren, um dann für zwölf Monate im großen Eichenholzfass zu landen. Danach reift er auf der Flasche. Der Dolcetto duftet außerordentlich charmant nach den typischen Kirschen. Ich wollte schon Piemont-Kirschen schreiben, aber ich verkneife es mir. Dazu kommt Tabak, etwas mürbes Holz, Stein und Kräuter. Auch hier meine ich wieder etwas Salbei zu riechen. Der Geschmack steht im Spannungsfeld zwischen Reife und immer noch präsenter Jugend. Die Reife gibt etwas Süße und mürbe Noten, die Jugend eine immer noch vorhandene frische Kirschsaftigkeit und Säure. Dazu kommen präsente, aber gut eingebundene Tannine. Das ist ein herrlich eigenständiger Wein, zusammen mit dem Filagnotti eine Empfehlung für Ostern. Wild oder auch Lamm kann ich mir hier besonders in geschmorter Form vorstellen.

Zum Schluss gab es dann noch ein Schmakerl. C’era una volta il passato, ein Passito aus sonnengetrocknten Muskat-Trauben. Zum Niederknien. Die Trauben wurden wochenlang auf Strohmatten in der Sonne getrocknet, dann entrappt und vergoren. Die Trauben blieben eine Woche auf dem Saft, dann leicht gepresst  und in Holzbottich gefüllt, wo sie zehn Monate lang weiter gegoren haben. Der Wein ist dicht und überaus komplex. Dabei gar nicht so süß, wie ich es erwartet hatte. Kräuter, Honig, Blüten und Dörrobst bestimmen den Ton, getrocknete Feigen, Rosinen und Honig den Geschmack.

Die Weine gibt es (bis auf den Passito) seit einigen Wochen bei vinaturel. Lohnen tun sich auch die einfachen Weine aus den Flaschen mit Kronkorken. Aber Filagnotti und Nibiô sind schon wirklich besonders.

Die Weine habe ich auf der vinitaly 2014 probiert.

 

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