Champagne – Vol. 11 – Côte des Bar: Von Bar-sur-Seine nach Les Riceys

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Wenn man es genau nimmt, dann sind wir in Montgueux schon an der Côte des Bar angekommen. Doch Montgueux liegt wie eine Enklave in der Champagne und das eigentliche Gebiet der Côtes beginnt an einem der Orte, die für den Namen dieses Gebietes verantwortlich sind, nämlich Bar-sur-Seine (Der andere Ort ist Bar-sur-Aube, dahin kommen wir später). Das Gebiet an der Aube ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Hier wird schon sehr lange, spätestens seit der Römerzeit Wein angebaut. Der eigentlich entscheidende Schub jedoch kam von den Zisterziensermönchen, die im nicht weit entfernten Clairvaux, einem der wichtigsten Klöster der Kirchengeschichte residierten. Lange Zeit wurde hier Gamay angebaut, später dann, seit dem letzten Jahrhundert vor allem Pinot Noir. Champagne wurde an der Aube meist Saulte Bouchon genannt und die Winzer dort wurden auch lange Zeit nicht wirklich als gleichwertig betrachtet. Der gesamte Bereich hat im ausgehenden 19. Jahrhundert (Reblaus) und beginnenden 20. Jahrhundert (1. Weltkrieg inklusive Marneschlacht) besonders gelitten. Zudem gibt es hier keine renommierten Häuser, denn die residieren mehr oder weniger alle in Reims oder Épernay. Deshalb war es für die Winzer an der Aube entscheidend, gleichwertig zu den Häusern der anderen Teilgebiete den Begriff Champagne nutzen zu können. So konnten die Winzer und Häuser an der Aube ebenfalls irgendwann vom Champagne-Boom profitieren. Das Gebiet rund um die beiden Bars hebt sich von den anderen Gebieten ab. Das Mikroklima ist anders und vor allem der Boden, denn der birgt neben dem obligatorischen Kalk vor allem Mergel. Das ganze Gebiet wird, wie schon angesprochen, vor allem vom Pinot Noir dominiert, doch findet man neben den beiden anderen Hauptrebsorten viel häufiger als anderswo auch Pinot Blanc, Arbanne oder Petite Meslier und – und das ist entscheidend – es gibt Winzer, die daraus eigenständige, teils höchst charaktervolle Weine formen. Wie aus den bisherigen Artikeln schon deutlich geworden sein sollte, ist die viel heterogener, als man es wahrnimmt, wenn man nur oberflächlich draufschaut. An der Côte des Bar befindet sich so etwas wie die Experimentierküche der Champagne und zudem, dass sollte nicht verschwiegen werden, eine eigene, zusätzlich Stilweinappellation in Les Riceys.

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Auch eher selten: Lyra-Erziehung in der Champagne

An Bar-sur-Seine vorbei nach Polisot, Celles-sur-Ource, Buxeuil, Avirey-Lingey und Les Riceys
In Bar-sur-Seine landet man bei einer großen Genossenschaften, nämlich der Cooperative de Aube. Diese gehört mit der Coopérative Générale de Vignerons, der Union Auboise und der Covama, zu der Marken wie Champagne Pannier, Champagne Jacquart, Champagne Montaudon und Champagne Collet gehören (Quelle: sparkling-online.com) zu einem Big Player. Ähnlich wie bei Nicolas Feuilatte hat man sich einen eher persönlich wirkenden Namen gegeben, hinter dem man die schiere Größe von insgesamt 2.500 Hektar gut verstecken kann. So heißt die Kooperative also Champagne Veuve A. Devaux, benannt nach einem ihrer Mitglieder, der Familie Devaux, die sich 1987 nach knapp 150 Jahren der Eigenständigkeit entschlossen hat, der Union Auboise beizutreten. Wir fahren hier vorbei weil unser Ziel ja die andere Champagne ist.

Polisot
Deshalb besuchen wir als erstes den Ort Polisot und treffen dort Dominique Moreau, die dort Champagne Marie Courtin gegründet hat – benannt nach Ihrer Großmutter. Dominiques Unternehmung besteht seit 2006, allerdings hatte sie schon vorher mit der Champagne-Produktion zu tun denn ihr Mann führt das Haus Champagne Piollot Père & fils. Dominique hatte damals die Chance, in eine andere Richtung zu gehen, als man es bei dem eher klassischen Produzenten Piollot tut. Denn sie hatte die Möglichkeit, einen Hektar Weinberg von einem Winzer zu übernehmen, der in den Ruhestand gehen wollte. Dieser Hektar ist mit einer selection Massale bepflanzt, die Rebstöcke wurden also nicht geklont, sondern vervielfältigt, in dem Triebe besonders guter Stöcke neu angepflanzt wurden. Mittlerweile sind anderthalb Hektar hinzugekommen, die Dominique Moreau ebenfalls in der Art der selection Massale bepflanzt hat. Sie favorisiert Champagne aus einzelnen Weinbergen aus einzelnen Jahren, also Monocru-Champagne, und das non dosé. Es gibt bei ihr die Champagne Resonance, Efflorescence, Eloquence und Concordance.

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Dominique Moreau | Fotos  ©: Thomas Iversen, Mad about Wine

Der Resonance Extra Brut ist heute ein hundertprozentiger Pinot Noir (früher war es mal Chardonnay) von vierzig, fünfzig Jahre alten Reben. Der Wein kommt aus dem Edelstahl, zeigt immer den puren, fruchtbetonten Pinot Noir, wie er an der Côte des Bar oft zu finden ist, ist immer elegant und subtil – ein typisches Merkmal der Weine von Dominique Moreau – und spielt hervorragend mit der Reife, die das non dosé vergessen macht, mit der virbrierenden Mineralität und den Aromen von Kräutern und Gewürzen (Süße von Orangen, Bitterkeit von Orangenzesten, Schärfe von Ingwer). Als Einstiegschampagne ist das schon außerordentlich gut.

Einen Schritt weiter geht der Efflorescence Extra Brut. Der Pinot-Noir-Grundwein hat seine Gärung im Holzfass gemacht und er wurde zehn weitere Monate in gebrauchten burgundischen Barriques ausgebaut. Da der Grundwein im Prinzip aus dem gleichen Plot wie der vom Resonance stammt, kann man, wenn man beide nebeneinander öffnet, sehr schön feststellen, wie dieser dosierte Einsatz von Holz den Wein verändert. Das steinige, mineralische Spiel ist ähnlich und auch die bemerkenserte Frucht des Aube-Pinots bleibt gleich doch der Körper, das Volumen ändert sich. Efflorescence ist dichter, etwas breiter, wärmer. Gleichzeitig bleibt die knackige säure, die schon dem Resonance gut steht.

Als dritter im Bunde folgt der Eloquence Extra Brut Blanc de Blancs. Wie der Name schon sagt, ist es ein Weißer von Weißen und, wie ja allgemein üblich heißt weiß Chardonnay. Dieser steht in einem eigenen kleinen Bereich in Polisot und ist ca. 40 Jahre alt. Dominique hat diesen Wein ausnahmsweise aus zwei Jahrgängen zusammengesetzt denn wenn sie beide einzeln verarbeitet hätte, währen ihr die beiden Jahrgänge zu extrem ausgefallen. Das macht halt einen guten Kellermeister aus, denn wer Eloquence (2009/2010) probiert, ist begeistert von diesem Wein. Der Eloquence ist extrem fein ausbalanciert (Holz, Frucht, Säure), ist typisch elegant und dabei überaus komplex und auch expressiv. Jede Menge Frucht und Gewürze formen den Wein, Steinobst, Kernobst, Südfrüchte, wieder Ingwer, etwas Süßholz, Kräuter, ein leichter Hauch Minze. Das ist großes Kino und dafür vergleichsweise günstig zu haben.

Deutlich teurer ist der ungeschwefelte Wein namens Concordance Extra Brut. Das Experiment wagen nicht viele, an der Côte des Bar weiß ich von Dufour, Drappier und Couche, ansonsten kenne ich noch Lahaye, der einen solchen Wein im Programm hat. Concordance Extra Brut ist, wie die meisten ungeschwefelten Weine, besonders und ungewöhnlich. Wie schon gesagt, gerade die Côte des Bar ist ein Experimentier-Labor, das wird gerade bei diesem Champagne wieder deutlich. Wir sind wieder bei 100% Pinot Noir, der im Emaille-Tank ausgebaut worden ist. Dieser Wein ist schwer zu beschreiben weil er so ungewöhnlich ist. Natürlich ist das nichts für ein Restaurant oder für den Gelegenheits-Champagne-Trinker. Das ist was für Leute, die sich mit so einem Stoff über Tage hinweg auseinandersetzen wollen. Der Champagne ist so vielschichtig, so radikal frei, dass er sich immer wieder komplett verändert. Mal ist er salzig mineralisch, mal deutlich fruchtbetont, wobei es mal Kirschen sind, mal Brombeeren, mal Mango und Nektarinen. Dann wirkt er wieder etwas oxydativ dann nussig. Das ist wiederum groß – in einem ungewöhnlichen Sinne und jemand, der einen Roederer Cristal aus einem guten Jahrgang als groß empfindet, wird mich im Zweifelsfall für bescheuert halten. Das macht aber nichts – ich würde das Attribut für beide Weine gelten lassen, auch wenn ich mich persönlich lieber mit drei Flaschen Concordance zurückziehen würde als mit einer Flasche Roederer.

Celles-sur-Ource
Bevor wir weiter Richtung Süden nach Buxeuil fahren, müssen wir unbedingt noch in Celles-sur-Ource halten. Hier füllt Cédric Bouchard seine Champagne im Haus seinens Vaters (auch wenn er Landreville, wo wir später noch Dufour besuchen werden, neu baut). Cédric hat am Lycée Viticole in Beaune studiert, ist also burgundisch geprägt, hat später in Paris in einem Weinhandel gearbeitet, ist aber dann nach Hause zurückgekehrt um dort sein Haus Roses de Jeanne zu gründen, obwohl er nach eigener Aussage Champagne eigentlich gar nicht so gerne mag, dies aber im Gegensatz zum Burgund seine Heimat wäre. Das ist natürlich eine Aussage mit einem hintergründigen Lächeln, doch merkt man seinen Champagne durchaus an, dass er es damit zum Teil ernst meint. Haben sie doch weniger Druck als üblich. Der Druck liegt eher auf Crémant-Niveau. Angefangen hat Cédric mit einem Teil eines Weinbergs der nicht einmal einen Hektar groß ist. Les Ursules hat er von seinem Vater bekommen, er ist mit Pinot Noit bestockt und 2000 war der erste Jahrgang, den er vinifiziert hat. Bei ihm ist ganz klar, es gibt den Champagne immer und ausschließlich aus einem Weinberg, einem Jahr, einer Rebsorte – Punkt. Seit dem Erscheinen von Les Ursules konnte Bouchard einen wenig erweitern. So ist die Lage Creux d’Enfer hinzugekommen (Pinot Noir auf 0,032 Hektar), La Haut Lemblée (Chardonnay auf 0,118 Hektar) und La Bolorée, deren 0,21 Hektar mit Pinot Blanc bestockt sind und dessen erster Jahrgang der 2009er ist. Darüber hinaus konnte er zwei Parzellen mit Pinot Noir pachten und vertreibt diese Weine unter dem Namen Inflorescence.

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Cédric Bouchard und seine Tanks | Fotos  ©: Thomas Iversen, Mad about Wine

Wie fast alle anderen Top-Winzer der Champagne auch, arbeitet er ökologisch im Weinberg und mit so wenig eingriffen wie möglich im Keller. Alles, was er nicht 100% gelungen findet, verkauft er an den Négo. Dank der hohen Traubenpreise in der Champagne kann man sich das dort leisten. Bouchard baut seinen Weine ausschließlich im Edelstahl und Emaille aus, Holz hat er gar nicht, da ist er nicht vom Burgund infiziert worden. Desweiteren gibt Spontanvergärung, malolaktische Gärung und keine Dosage, da ist er strickt, wie bei allem anderen auch. Weil er übrigens Champagne ja gar nicht so mag, kann man auch auf seine Stillweine gespannt sein, die ich allerdings noch nicht kenne.

Zurück zu den Champagne. Diese sind zwar immer aus einem Jahrgang, es sind trotzdem keine Jahrgangschampagne, was daran liegt, dass Bouchard sie zu früh auf dem Markt bringt, bze. bringen muss. Jahrgangschamapgne erfordert eine lange Lagerung und diese erfordert Platz, die er nicht hat. Also kommen sie nach zwei Jahren etwa auf den Markt. Wenn er mal in seine neuen Räumlichkeiten umgezogen ist, sollte sich das ändern, was die Champagne noch feiner machen sollte, als sie es eh schon sind. Gekennzeichnet sind die Flaschen mittlerweile trotzdem mit einer Nummer auf der Rückseite der übrigens traumhaft schön gestalteten Flaschen die normalerweise auch noch in Seidenpapier eingeschlagen sind, die die Lagenkarte zeigen (ein Motiv, das ich hier immer wieder gerne verwende). Ich werde die Weine hier jetzt nicht in aller Einzelheit beschreiben. Wer die Möglichkeit hat, Weine von Roses de Jeanne zu erwerben sollte das immer tun. Sie sind immer höchst individuell, immer enorm charakterstark und exzellent gemacht. Und mit La Bolorée Blanc de Blancs macht er den besten Weißburgunder-Champagne und überhaupt einen der schönsten Champagne von der Aube. Ich habe hier mal einen beschrieben…

Buxeuil
Zurück über Polisot und dann gen Süden nach Buxeuil, einige wenige Kilometer weiter, das ist hier alles ein paar Katzensprünge voneinander entfernt. Hier hat Champagne Couche seinen Sitz. Vincent Couche ist in dritter Generation Winzer und gehört mit zu den Extremisten, wenn man das so sagen darf. Biodynamie im Weinbau, klassische Musikbeschallung im Keller, Spontanvergärung, keine Filtration, keine Schönung und praktisch kompletter Verzicht von Schwefel (bis auf ein oder zwei Weine). Entsprechend ungewöhnlich und wild sind seine Weine und für ihn ist das eine enorme Herausforderung denn er hat etwa 10 Hektar und eine breite Palette an Champagne. Zusätzlich zu den Lagen bei Buxeuil verfügt er über Lagen in Montgueux, wo auch der reinsortige Montgueux-Champagne Perle de Nacre. Finde ich die Champagne gut? Mal ja, mal brillant, mal geht so. Vincent Couche ist keiner, den ich jetzt so durchweg empfehlen könnte. Selbst ausprobieren heißt die Devise, doch wenn ich zwei Weine empfehlen sollte, dann wären es die Extreme Cuvée Dosage Zero auf Grund seiner Purität, seiner Klarheit und Straffheit und der Bulles de Miel Demi Sec, auf Grund seiner gut eingebunden Süße, seinem Wechselspiel zwischen Säure und Honigtönen, die mir gerade im aktuellen Champagne gut gefallen haben.

Avirey-Lingey
In diesem Ort, etwas westlich gelegen, finden sich gleich zwei weitere Talente, die man unbedingt im Auge behalten sollte. Das erste Haus heißt Champagne Serge Mathieu, wo Serge Anfang der Siebziger die eigene Vermarktung begonnen hat. Heut führen Tochter Isabell und Schwiegersohn Michel das Haus. Die Champagne sehen bis heute klassisch aus, nicht gerade stylish, die Arbeit im Weinberg ist seit vielen Jahre im ökologischer und nachhaltiger geworden, was für den gesamten Produktionsprozess gilt (Solar, Wasseraufbereitung, Putzmittel etc.). die Weine werden im Edelstahl vergoren und reifen in Edelstahl und Emaille.

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Isabell und Michel Jacob, Copyright Champagne Serge Mathieu

Es ist vor allem Pinot (über 80%) und wenig Chardonnay (unter 20%), der hier wächst und verarbeitet wird. Der Wein durchläuft eine malolaktische Gärung. Der Einstiegs-Brut Cuvée Tradition Brut ist fruchtig (100% Pinot-Frucht). So fruchtig, wie man es an der Aube eigentlich haben will, dazu mit feiner Perlage und schöner Länge. Unspektakulär, süffig und einfach gut. Preislich auf einem Level liegt der Pinot Extra Brut mit wenig Dosage und mit extrem geringem Schwefel. Auch hier gibt es also ein Experimentierfeld, was sich jedoch gar nicht so zeigt, sprich, der Wein ist in sich ruhend, fertig, generös mit viel Frucht, Brioche, Mineralität und Frische. Hervorragend der Brut Prestige mit deutlichem Chardonnay-Anteil: voll, saftig, fein, weinig, rund und leicht hefig. Das ist traditionell und gleichzeitig sehr gut gemacht. Schließlich würde ich noch den Rosé empfehlen, der dunkelrot, fast orangefarben daher kommt. Der Rotweinanteil ist hoch, der Wein ist voll und knackig mit dem Duft von Erdbeeren und Rhabarber.

Einer dieser neu aufgehenden Sterne, eine Boutique-Winery namens Champagne Dosnon & Lepage mit zwei Hektar und zugepachteten fünf Hektar bewirtschaften Davy Dosnon und Simon-Charles Lepage. Irgendwo hatte ich kürzlich gelesen, die beiden hätten sich getrennt, konnte das aber bisher nicht verifizieren. Sei es drum. Das kleine Haus hat in den letzten Jahren mit sehr feinem, intensiven, komplett im Piligny-Montrachet-Barrique ausgebauten Champagne von sich reden gemacht. Davy hat beim benachbarten Serge Mathieu, aber auch im Burgund das Weinmachen gelernt während Simon-Charles jura studiert hat – um dann zurück in sein Heimatdorf zu kommen.

Im Prinzip sind die beiden das Gegenstück zu Cédric Bouchard. Er ist extrem strickt in allem was er tut und lehnt Holz total ab während die beiden nur mit Holz arbeiten aber auch Edelstahl nehem würden, falls es der Wein erfordern würde und alles andere in der Schwebe lassen. Es wird mit malolaktischer Gärung gearbeitet, aber nicht immer, es wird mit Spontanvergärung gearbeitet, aber nicht immer, es wird ökologisch im Weinberg gearbeitet, doch nicht zertifiziewrt weil man sich das Spritzen vorbehält, wenn das Wetter zu schlecht, zu feucht wird. Dogma versus no Dogma.

Es gibt mittlerweile fünf Weine, die vom typischen Brut über den 100% Pinot und 100% Chardonnay bis zur Alliance reichen, der Verbindung der beiden Rebsorten. Der Récolte Brute extra brut ist eine Cuvée aus 70% Pinot plus Chardonnay mit 40% Reserve-Weinen, ausgebaut im gebrauchten Puligny-Montrachet-Fass. Da ist tatsächlich viel Burgund im Fass und für einen normalen Brut ist das unheimlich viel Körper, Substanz und Fülle. Der Récolte Noir Blanc de Noirs wirkt aromatisch fast etwas heller mit mehr gelber Frucht und exotischen Aromen plus Gewürzen und etwas Schärfe. Was immer bleibt ist ein leichter Vanille-Unterton vom Holz, dazu das leicht Rauchige, was auch schon der Brute hatte. Der Récolte Blanche Brut Blanc de Blancs ist noch heller in der Frucht, zitroniger, blumenduftiger, nerviger, fast wie ein Chablis mit Bläschen. Das ist sehr fokusiert und klar – und das immer mit dem Holz im Untergrund, das man natürlich auch bei der Grande Cuvée Alliance findet. Hier gibt es noch mal von allem mehr, Chamapgne in Hülle und Fülle, das gilt auch für das Holz, das sich erst noch einbinden muss. Es ist der erste Jahrgang (2008), der hier abgefüllt wurde, der aber zeigt, wo es hier weiter hingeht. Es ist eine neue Karte im großen Quartett, das an der Aube gespielt wird und das diesen Bereich so faszinierend macht.

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Les Riceys, Copyright: CIVC / Fulvio Roitier

Les Riceys
Kommen wir schließlich noch nach Les Riceys. Dieser Ort setzt sich aus mehreren Ricey-Teilorten zusammen, weshalb sein Eigenname eine Mehrzahl aufweist. Diese Mehrzahl findet sich auch in der Weinproduktion wieder, denn hier findet man drei Sorten Wein. Der weiße und rote Stillwein wird unter Côte Champenois angeboten, der Rosé unter der AOC Rosé des Riceys und dann gibt es da noch den Champagne. Der Pinot Noir des Ortes ist schon lange so bekannt, das es zwischenzeitlich, als die Bourgogne einen höheren Stellenwert hatte als die Champagne der Côte des Bar, vereinzelte Bestrebungen gab, den Part der Bourgogne zuzuordnen (die ja auch nicht mehr allzu weit entfernt liegt, zumindest Chablis uns Auxerrois nicht). Das ist aber natürlich nicht geschehen und so finden sich hier Winzer, die beides ernsthaft betreiben: die Produktion von Stillwein und von Champagne.

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Morgenstimmung in Ricey Bas, Copyright: CIVC / Michel Guillard

Einer, der mir dabei ans Herz gewachsen ist, ist Olivier Horiot. Der hat, so nebenbei gesagt, einen der am höchsten bewerteten Rosé in der vorletzten Ausgabe der Revue du Vin de France abgeliefert. Das kann ich, wenn ich den Rosé-Champagne von ihm probiere, auch nachvollziehen, denn auch der macht großen Spaß, wenn er auch kein ganz einfacher Champagne ist. Die aktuelle Version ist der 2008er Cuvée Sève, Rosé de Saignée aus der Lage en Barmont. Der Grundwein, Pinot von lehmigem Kimmeridge-Kalk wurde einer Macèration Carbonique unterzogen, einer Kohlensäuremaischegärung, die viel Farbe liefert und viel Frucht. Diese besondere Form der Verarbeitung, die man vor allem bei jungem Beaujolais gerne findet, födert häufig eine etwas vordergründige Himbeer- und Erbeeraromatik. Diese Noten hat man hier zwar auch, sie sind jedoch keineswegs vordergründig sondern vermischen sich mit erdigen und kräuterigen Noten, mit Kalk, mit Hagebutte und sogar roter Beete. Dazu kommen Nüsse und Gewürze. Diese findet man übrigens auch im Geschmack, der ziemlich zupackend und (Achtung:) mineralisch ist. Das gilt übrigens für alle Weine (weiß, rot, rosé), die aus dieser südöstlichen Lage vinifiziert werden, worunter auch die Cuvée Sève Blanc de Noirs Jahrgangschampagne non dosé fällt. Auch das ist höchst artifiziell, was hier mit der besonderen Ausbauart, dem Ausbau in altem Holz, der biodynamischen Wirtschaftsweise und der langen Hefelagerung produziert wird.

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Horiots Sève duftet nach Brioche und Mandeln, aber auch nach Speck und Inwer plus Limette und Gapfruit. Am Gaumen findet sich wieder die kalkige Note, Würze und helle, zitronige Frucht. In der Spitze dann findet sich die Cuvée 5 Sens Brut Nature, eine Cuvée aus fünf Rebsorten (Arbanne, Pinot Meunier, Pinot Noir, Pinot Blanc, Chardonnay) und fünf Lagen. Hier werden tatsächlich alle Sinne angesprochen, man muss bei dieser Cuvée aufpassen, denn sie ist ungewöhnlich, charakterstark, hier treffen Gewürze auf mürben Kernobstfrüchte, auf Nektarinen, Blüten und Salz. Der Wein ist viel voller, ja dunkler als der Sève, die ungewöhnliche Sortenkombination bringt Spannung. Gleichzeitig strahlt der Wein eine angenehme Harmonie aus.

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Die Artikel der Serie:

Teil 13: Epilog

Teil 12: Côte des Bar von Courteron nach Urville

Teil 11: Côte des Bar von Bar-sur-Seine nach Les Riceys


Teil 10: Von Vertus nach Montgueux

Teil 9: Côte des Blancs in Vertus

Teil 8: Côte des Blancs in Le-Mesnil-sur-Oger

Teil 7: Côte des Blancs in Avize

Teil 6: Côte des Blancs von Épernay nach Cramant

Teil 5: Vallée de la Marne, am linken Ufer zurück nach Épernay

Teil 4: Vallée de la Marne, am rechten Ufer von Dizy nach Crouttes

Teil 3 Vallée de la Marne, rund um Aӱ

Teil 2: Montagne de Reims

Teil 1: Auf der Suche nach einem Mythos

Im letzten Teil der Reise geht es schließlich noch nach Courteron, Essoyes, Landreville, Buxierès und Ville-sur-Arce.

5 Kommentare

  1. Hach! Wie schön. Und wie schön, neben Horiot, den ich ja als alter Rosé-Freund auch über alle Maßen schätze, von Marie Courtin zu lesen. Weil ich gerade an einem Bericht schreibe, wo es eben den Concordance zum Abschluss eines wirklich großartigen Abends gab – und zwar nicht in Frankreich, sonderm im Soave. Aber dazu mehr bei mir im Blog (vermutlich morgen, spätestens übermorgen).

  2. Vielen Dank für Ihre Kommentare,

    Bis bald vielleicht in Avirey-Lingey !

    Isabelle & Michel Jacob

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