Vom alten Wandrahm in die Meierei. Einige Eindrücke von möglichen Milchprodukten, Großen Gewächsen und der Generation Riesling. Teil 2

Hoffentlich hat der VDP nun in der Bolle Meierei im Berliner Stadtteil Moabit endlich einen Ort gefunden, den man mal ein paar Jahre hintereinander bespielen kann. Der Gründerzeitbau, in dem früher Milchprodukte gemeiert wurden, bietet jedenfalls meiner Ansicht nach den richtigen Rahmen für den Auftakt zur Präsentation der Großen Gewächse des VDP.

Leider konnte ich in diesem Jahr nicht bei der Vorpremiere eben dieser Gewächse in Wiesbaden dabei sein, deshalb entfällt eine umfangreiche Einschätzung und ich kann lediglich spontane Eindrücke liefern, die ich am letzten Montag in einer vollen und geräuschintensiven Halle gesammelt habe.

Bolle

Was ich probiert habe, befand sich fast durchweg auf hohem Niveau. Ausfälle, bei denen ich gesagt hätte, die gehören eigentlich nicht unbedingt unter die Rubrik „Große Gewächse“, habe ich nur wenige gefunden und auch weniger als noch 2013. Dafür gab es allerdings nach meinem Gefühl auch weniger wirklich markante Ausschläge nach oben im Sinne von: Wow, das habe ich so nicht erwartet, das ist ja sensationell. Das dürfte allerdings auch daran liegen, dass das Niveau insgesamt in den Jahren, vor allem bei den Spitzenerzeugern, mindestens gleich hoch geblieben ist, wenn nicht immer weiter leicht ansteigt. Und das finde ich sehr befriedigend.

Bei manchen Weingütern, ich denke vor allem an den Rheingau, kann man ja nicht in jedem Jahr neue Quantensprünge erwarten. Irgnedwann hat es sich ausgesprungen, dann wird nur noch gehüpft. Die Quantensprünge hat es ohne Zwiefel in den letzten Jahren gegeben, und jetzt geht es mit beständiger Arbeit weiter. Das konnte man bei Dirk Würtz und Balthasar Ress schmecken, dessen Berg Rottland von 2012 bis 2014 zu probieren war. Diese beständige aufwendige Arbeit führt zu einem immer klareren Stil, der so ganz eigen ist, irgendwo angesiedelt zwischen Landwirtschaft und Renaissance. Nirgendwo sonst finde ich meines Erachtens im Rheingau Weine, die über einige Jahre hinweg so klar die Veränderung zeigen, die von einer ehemaligen Kellerstilistik hinführt zu einem immer mehr von der Landwirtschaft geprägten Ausdruck. Aus diesen klaren Veränderungen der Arbeit im Weinberg wird dann mit Flaschenreifung immer deutlicher und deutlicher der Boden des Weinbergs durchschlagen. Dirk Würtz interpretiert den Berg Rottland mit steiniger Würze, Struktur, klarer Textur und einer wunderbar mitschwingenden Frucht.

Was mir neben dem hohen Niveau von Barth, Allendorf (immer weiter nach oben, großartig), Schloss Johannisberg und Robert Weil (immer wieder Robert Weil, die Weilschen Weine kann man sich einfach blind weglegen), vor allem aufgefallen ist, ist die Rückkehr von Schloss Vollrads. Im einst so stolzen Schloss hat man den langjährigem Niedergang augenscheinlich gestoppt. Vollrads’ Schlossberg präsentiert sich frisch, herb und in sich ruhend. Während einige Große Gewächse des Rheingaus noch auf sich warten lassen, da sie noch gar nicht gefüllt sind, hat ein anderer Winzer aus dem Rheingau nun grundsätzlich entschieden, seine Weine erst ein Jahr später zu präsentieren. Es ist der an Konsequenz kaum zu überbietende Peter Jakob Kühn. Wer seine beiden Großen Gewächse Sankt Nikolaus und Doosberg probiert hat, wird kaum noch daran zweifeln, dass es Sinn macht, solchen Weinen ein Jahr mehr Zeit zu geben. Peter Jakob Kühn präsentiert Weine von einer Tiefe und Substanz, wie ich sie selten getrunken habe. Sie erinnern mich an Vogonen-Raumschiffe aus der Verfilmung des Anhalters, die unglaublich groß mitten in der Luft stehen ohne einen einzigen Laut. Das sind schwebende Schwergewichte, Schwerkraft außer Kraft gesetzt mit herrlicher Frucht, Würze und einer inneren Spannung, die einen das ganze Drumherum der Probe für einige Momente vergessen lässt. Ich werde in Kürze noch mal auf die Weine zurückkommen, hier sei aber schon mal deutlich vermerkt: Diese Weine werden ihrem Namen definitiv gerecht, es sind Große Gewächse!

doosberg

Nachdem Schloss Lieser, Geltz-Ziliken und Peter Lauer sich wohl dafür entschieden hatten, dass Berlin zu weit von der Mosel entfernt liegt, als dass man dorthin aufbrechen müsste, was schade ist, sollen die Gewächse doch auf einem sehr hohen Niveau gewesen sein, bleibt die Riege der Moselwinzer übersichtlich. Mir gefiel hier die Würze und innere Dichte des Altenberg aus dem Weingut von Othegraven und ich war glücklich mit der gesamten Kollektion der Herren Clemens Busch und Reinhard Löwenstein. Vor allem dessen Stolzenberg ist gerade im Moment ein Solitär – kraftvoll, würzig, dunkel mit herrlicher Frucht. Den würde ich gerade flaschenweise trinken wollen.

In Rheinhessen hat Daniel Wagner zwei der besten Großen Gewächse seiner Karriere auf die Flasche gezogen, da bin ich mir ziemlich sicher. Heerkretz und Höllberg sind so harmonisch in sich ruhend, so klar und mit so viel Grip und so typisch Daniel Wagner: Größe und innere Ruhe triffen auf Trinkspaß. Die Weine aus den Weingütern Kühling-Gillot, Battenfeld-Spanier und Wittmann wirkten in diesem Jahr etwas unspektakulärer als in den vergangenen. Und das, wie schon angedeutet, auf einem hohen Niveau. Heraus stachen aber deutlich zwei Weine: Am schwarzen Herrgott von H.O. Spanier hat sich für mich in den letzten Jahren zu einer der abgründigsten, tiefsten, dunkelsten, markantesten, steinigsten und geilsten Lagen entwickelt. Das hat so viel eigenen Charakter, so viel eigene Würze und Rauchigkeit, wunderbar! Wittmanns Kirchspiel wirkt noch ein wenig schüchtern, ist noch sehr verschlossen, doch man ahnt hier die Kraft, die Dichte und Spannung, die sich irgendwann entladen wird. Neben einem herrlich gereiften 2007er Tafelstein, den es von den Brüdern Dr. Becker gab, sind für mich eindeutig zwei weiterer Weingüter hervorzuheben, die nicht weit voneinander entfernt liegen. Im Weingut Gunderloch hat Johannes Hasselbach wiederum ein Schüppe draufgelegt, und was für eine. Das ist eine brillante Kollektion! Gefolgt vom Weingut St. Antony, das seinen Stil findet und ebenfalls eine ganze Palette hervorragender Weine vorlegt. Pettenthal und Hipping sind völlig unterschiedlich interpretiert, gefallen mir aber von beiden Weingütern sehr.

Für die Nahe hatte ich nicht viel Zeit. Ich weiß aber, für welche Weine ich mir gerne noch einmal sehr viel Zeit nehme möchte. Es sind die Weine von Emrich-Schönleber die hier so leise, so fein, der eine heller (Frühlingsplätzchen), der andere dunkler (Halenberg) und trotzferm leicht verspielt, schwebend daher kommen. Ist das eine grundsätzliche Stiländerung die sich hier anbahnt? Wenn ja, weiter so, das ist faszinierend vielschichtig!

Als Gesamtgebiet haben mich die Pfalz und Franken in diesem Jahr restlos überzeugt. Das was da stand, war sehr gut. Hier zeigen sich vor allem die so ganz unterschiedlichen Stile: Bassermann-Jordan präsentiert sich fein, trinkfreudig und lang – diesmal auf besonders hohem, ja für dieses Weingut herausragendem Niveau. Von Buhl wie mittlerweile üblich zeigt sich knalltrocken, kompromisslos, teilweise noch etwas grün (Stachelbeeren), dabei flüssig elegant. Dr. Bürklin-Wolf als dritter der drei großen Bs der Pfalz zeigt aristokratische Gelassenheit und eine verhaltene Größe, die sich irgendwann in zehn Jahren beginnen wird zu zeigen. Das sind Weine für das nächste Jahrzehnt, wie üblich bei B-W. Georg Mosbacher ist zurück, kann ich nur sagen, die Kollektion hat ein hervorragendes Niveau, Acham-Magin ist da, wo das Weingut so noch nie war, würde ich behaupten, nämlich auf der Überholspur Richtung Deuxième Cru Classé. Typisch charaktervoll, also mit ganz eigenem, lange entwickeltem Charakter präsentierten sich Rebholz und Christmann. Rebholz’ Kastanienbusch ist so steinig, salzig, gleichzeitig saftig und fein mit einer hervorragenden griffigen Säure. Christmanns Kollektion insgesamt brillant, vor allem aber der Mandelgarten und der Idig, der mir an dem Tag so ungewöhnlich offen erschien. Was für ein Wein. Herb, würzig, tabakig, unglaublich straff, tief, gar nicht fett, wie er manchmal schon erschienen ist, dafür sehr trocken mit nur leicht cremigem Charakter und einer ungeheuren Tiefe. Der Mandelgarten wirkte fast verschlossener als der Idig, ebenfalls mit einer straffen Säure – insgesamt dunkler als der Idig. Die Pfalz habe ich mit von Winnings Weinen beendet. Auch hier findet sich wieder das gewohnt hohe, ja herausragende Niveau der letzten Jahre (wer hätte etwas anderes erwartet?). Offensichtlich werden die einst jungen Fässer älter und es wird nicht ständig nachgekauft. Sprich, der Holzeinsatz tritt spürbar weiter in den Hintergrund und doch bleibt er merklich vorhanden – das ist der Stil des Herrn Attmann. Auch hier gefällt mir die straffe aber immer reife Säure, das Fruchtspiel, die rauchigen Noten. Fest gewirkt und noch zurückhaltend das tiefe Ungeheuer, ein noch schlafendes Ungeheuer. Kirchenstück, Pechstein… alles beeindruckend. Wirklich faszinierend aber fand ich den Grainhübel, der praktisch ohne merklichen Holzeinsatz heraussticht mit einem Duft von kandierten Zitrusfrüchten, Kräutern und so hell saftig, dazu tief mineralisch und packend. Toll, begeisternd!

Franken zeigt einige hervorragende Rieslinge und Silvaner. Beginnen aber möchte ich mit zwei roten Weinen. Ich war mir schon im November als ich Benedikt Baltes im Weingut der Stadt Klingenberg besucht und Fassmuster verkostet habe sicher: Da entsteht etwas, was noch besser ist als die Jahre zuvor. Feingliedriger, ruhiger, straffer, klarer und noch tiefer als er es bisher gemacht hat. Benedikt, gerade mal dreißig, ist jetzt schon ein Könner und ein Pinot-Flüsterer, wie wir sonst wenige im Land haben. Dabei fällt auf, dass er von der typischen deutschen Pinot-Aromatik (geröstet, Speck) weit entfernt ist. Da steht er da mit genau einem Wein in der großen Halle doch das Schlossberg GG überstrahlt vieles. Immer beständiger und beständiger auf höchstem Niveau wird das ebenfalls churfränkische Weingut Rudolf Fürst. Der Hundsrück Pinot ist tief und dicht und warm, etwas wärmer als der elegante und kühlere Schlossberg von Baltes. Man möchte sich in diesen Wein einkuscheln vor einem knisternden Kamin. Hervorragend präsentiert sich auch der Centgrafenberger Riesling mit Stein, Würze, Salz und reifer, packender Säure. Dabei ist er tief wie ein Brunnen. Wo wir schon beim Riesling in Franken sind: Luckerts haben Riesling Maustal 2012 und 2014 dabei. Das ist, wie auch die Silvaner aus dem Maustal, zunächst zurückhaltend dann von Sekunde zu Sekunde kraftvoller und eigenständiger. Eine dichte und kompakte Zitrusfrucht die aber von Moment zu Moment wärmer wird, viel Würze, Salz – das gefällt mir ausnehmend gut. Rudolf May ist zum ersten Mal in der Riege des VDP mit dabei. Aber was für einen Einstand liefert er mit seinen beiden Silvanern aus Himmelspfad und Rothlauf. Der Rothlauf aus dem Betonei ist zunächst kühl und kräutrig herb mit irrer Mineralität, enormer Konzentration und viel Finesse. Er steht einem cremig dichten, rauchigen Himmelspfad gegenüber. Dazu kommen Pfeffer, Tabak und weiße Frucht. Zwei Silvaner aus einem Stall, fast gegensätzlich und sich dann doch wieder annähernd in ihrer außergewöhnliche Konzentration und Klasse. Bleibt schließlich, bevor ich gehen muss, ein wildwüchsiger fast anarchischer Mönchshof Silvaner von Bickel-Stumpf der vibriert und mich mit viel Energie zurück in die Realität Berlins schickt.

Wer mehr erfahren und genauere Beschreibungen haben möchte, lese folgende Blogs: der Schnutentunker, Würtz-Wein, Nur ein paar Verkostungen…

P.S.: Ach ja, Wandrahm gab es in Berlin übrigens keinen. Und auch keine Milch. Die war schon ausgetrunken und man hat die leeren Flaschen als Lichtspender genutzt statt sie dem Recycling zuzuführen.

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