Der Grand Prix der Großen Gewächse 2022 – Teil 1, Silvaner

Die diesjährige Vorpremiere der Großen Gewächse des VDP, des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter ist ein doppeltes Jubiläum. Zum einen ein großes für die Großen Gewächse; denn sie werden 20 Jahre alt und ein kleines, weil ich im zehnten Jahr mit dabei bin. Ich habe die Weine, die hier angeboten werden nicht nachgezählt aber es sind 82 Flights mit meist fünf oder sechs Weinen. Der überwiegende Teil ist natürlich aus 2021, doch ein immer größer werdender Anteil lag länger auf der Hefe, ist also aus 2020. 

Nach neun Monaten Post Covid, kann ich zwar mit meinen Sinnen wieder ganz gut arbeiten, aber es ist anstrengender. Ich brauche länger für die einzelnen Weine. Daher werde ich sicher nicht die Zahl an Weinen schaffen, die ich sonst in den drei Tagen bewältige. Wenn es zwei Drittel der letzten Jahre werden, bin ich zufrieden.

Silvaner
Wie immer beginne ich mit Silvaner. Es sind vier Flights. 2021, das kann man für praktisch alle Anbaugebiete sagen, war ein extrem herausforderndes Jahr. Vor allem für biologisch arbeitende Winzer. Ich kenne so manche, die 2021 mit der Umstallung auf biologische Wirtschaftsweise begonnen haben und es 2021 schon bereut haben. Andere denken durchaus darüber nach, ihre Zertifizierung zurückzugeben, um in Jahren wie 2021 konventionell spritzen zu können statt 30 x mit dem Traktor in die Weinberge fahren zu müssen. Es war ein schwieriges Jahr, aber es bringt einige sehr schöne Weine.

Flight 1
Ich starte mit dem Paul Weltner 2021 Rödelseer Hoheleite. Der silbriggelbe Silvaner übernimmt den Part, mich an diesem Sonntagmorgen einzunorden. Er verbindet eine deutliche, weißfleischige Frucht mit ein paar zitrischen Aspekten, etwas Lanolin und einer leichten Kräutrigkeit und Steinigkeit. Am Gaumen wirkt der Wein leicht grasig, was in Nuancen auch schon im Duft zu spüren war. Die Säure besitzt Schärfe und wird vom Rest nicht ganz eingefangen. Im Finale wirkt der Silvaner aktuell leicht bitter. Schon der zweite Wein ist ein Jahr älter. Der Hans Wirsching 2020 Iphofener Julius-Echter-Berg wirkt in der Nase runder, voller und auch schon etwas gesetzt mit einem Hauch von Gemüse in der Nase. Am Gaumen wird es dann saftig und durchaus balanciert mit einer weißen, gelben und grünen Frucht, die von einer lebendigen Säure und feinen Würze unterlegt ist. Der Johann Ruck 2021 Iphofener Julius-Echter-Berg wirkt da ganz anders. Die Nase wirkt eleganter, cremiger vor allem mit Noten von Birnencrème. Dazu erahnt man hie die Säurestruktur. Der Silvaner wirkt im Hintergrund kalkig und kühl. Am Gaumen besticht die Säure, die leicht scharf wirkt und doch von der cremigen Textur gekontert wird. Ähnlich wie bei Weltner findet man auch hier eine leicht grasige Note. Der Bürgerspital zum Hl. Geist 2021 Würzburger Stein-Harfe wirkt fast ein wenig brausig in der Nase mit Anklängen von Tonic wie Bitter Lemon. Am Gaumen sorgt der Silvaner für ordentlich Druck und bleibt dabei auf der zitrischen Seite. Der Wein wirkt schlank, hell, klar und besitzt ordentlich Zug und gefällt mir deutlich besser als im letzten Jahr, wo dem Wein der Druck fehlte. Zudem besitzt er eine sehr gute Länge. Im Vergleich dazu wirkt der Staatlicher Hofkeller Würzburg 2021 Würzburger Stein-Berg deutlich klassischer und etwas gediegener in seiner Mischung aus Kernobst, etwas Gemüse und erdiger Würze. Auch der Gaumen zeichnet sich durch diese Mischung aus, die recht reif wirkt, in die aber unvermittelt eine Säure einschießt, die etwas fehl am Platze wirkt, sich aber im Finale wieder fängt. Zum Schluss des Flights gibt es dann noch mal einen Jahrgangsvorgänger. Der Fürst Löwenstein 2020 Homburger Fürstlicher Kallmuth wirkt ungemein saftig und steinig zugleich mit viel Druck und der klarsten Mineralität am Gaumen. Das vibriert richtig und wirkt in angenehmer Weise fordernd. Der Wein besitzt zudem ein angenehmes Volumen. Hier hat sich das Warten gelohnt. Der 2020er zeigt sich viel klarer und präziser als der 2019er, der sich eher exotisch und weich präsentierte. 

Flight 2
Der zweite Flight ist schon deshalb interessant, weil es direkt zwei Lagen von Max Müller I im Vergleich gibt und drei Weine aus dem Lumpen. Es beginnt mit Max Müller I 2021 Volkacher Ratsherr. In der Nase habe ich hier zunächst etwas kühle Sauerrahmbutter, dann zitrische Noten und Gartenkräuter und etwas weißen Pfeffer. Am Gaumen dominiert die Säure in einem zitrisch dominierten Gefüge von Limetten, Zitronen und grünen Äpfel. Wer schlanken und druckvollen Silvaner liebt, ist hier genau richtig. Der Max Müller I 2021 Escherndorfer Am Lumpen 1655® zeigt dagegen eine klassischere Seite des Silvaners. Auch hier wirkt der Auftakt buttrig, aber die Butter wirkt cremiger und die Frucht reifer und fleischiger. In der Nase wirkt es so, als wäre hier etwas Holz im Spiel mit einer Ananas, die vorbeigeflogen kommt. Am Gaumen bestätigt sich der klassischere Eindruck. Die Frucht wirkt leicht exotisch, der Wein in der Textur cremig, dabei stimmig und balanciert. Der Horst Sauer 2021 Escherndorfer Am Lumpen 1655® greift dieses leicht Exotische auf, verbindet es aber auch mit einigen grasigen Aspekten, die für mich nicht ganz da hinein gehören. Am Gaumen hat sich die Säure noch nicht ganz ins Bild eingefügt und wirkt etwas kratzig. Der Wein ist, wie gewohnt bei Horst Sauer, fruchtbetont und saftig mit reifem Kernobst und etwas Steinobst sowie der schon im Duft präsenten leichten Exotik. Es braucht noch etwas Zeit, bevor hier alles stimmig an seinem Platz erscheint, wenn es denn so weit kommt. Der Rainer Sauer 2021 Escherndorfer Am Lumpen 1655® wirkt auf mich noch etwas diffus bzw. schwer zu greifen. Die Frucht versteckt sich etwas hinter Gesteinsstaub und Lanolin. Am Gaumen finden sich Reineclauden und Apfelnoten mit einer Säure die erst an Apfelsäure, dann aber zunehmend an Milchsäure erinnert. Der Wein besitzt einerseits einen leicht cremigen Charakter, andererseits findet sich eine leichte Bitternote im Finale. Ich finde ihn aktuell schwer einzuschätzen. Beim Juliusspital 2020 Iphofener Julius-Echter-Berg fällt das viel leichter. Er hat eine längere Zeit auf der Hefe hinter sich, wirkt rund mit einem Auftakt von Grafit und Kernobst. Die Noten von Grafit bleibt auch am Gaumen präsent und wirkt ungewöhnlich. Der Jahrgang liefert eine reife Säure und ein rundes Mundgefühl. Der Hans Wirsching 2020 Iphofener Kammer wirkt ähnlich seidig und rund, zeigt aber durchaus eine Säure, die im Laufe der Zeit am Gaumen immer präsenter wird. Für meinen Geschmack findet sich ein wenig zu viel Gemüse zwischen der Frucht. 

Flight 3
Der dritte Flight beginnt so, wie der zweite geendet hat. Mit einem 2020er. Es ist der Bickel-Stumpf 2020 Frickenhausener Mönchshof mit einer dezenten, eher feinen als ausladenden Nase, die ehr von Kräutern und Gestein geprägt ist. Bickel-Stumpfs Weine profitieren in besonderem Maße von der längeren Ausbauzeit. Der Silvaner wirkt am Gaumen balanciert mit einer leichten Exotik, etwas Orange, knackigem Steinobst und ordentlich Gestein. Die Säure steht hier im Mittelpunkt und verbindet alle Teile. Sie wirkt vital, leicht druckvoll und zusammen mit dem mineralischen Aspekt durchaus vibrierend, der Wein auskleidend und saftig. Weiter geht es mit dem Zehnthof Theo Luckert 2021 Sulzfelder Maustal. Über Jahre hinweg gehörte er für mich immer zum Besten, was Franken an Silvaner zu bieten hat und es ist auch in 2021 so. Der Silvaner bietet eine wunderbare Balance aus einem hellen, saftig wirkenden Fruchtkorb in Verbindung mit Lanolin und etwas gelbem Curry, was ich hier nicht zum ersten Mal wahrnehme. Am Gaumen wird es würzig, leicht exotisch, saftig und kraftvoll. Der Wein ist geradezu wuchtig und noch unfertig, durchzogen von einer lebendigen Säure und leicht herb mit Gewürzen, Stein, Erde und Kräutern und klingt lang aus. Den Störrlein Krenig 2020er Randersackerer Hohenroth hatte ich nicht unbedingt auf der Liste der Weine, die ich vorne mit dabei gesehen hätte. Aber der 2020er Silvaner überzeugt mich in seiner klassisch eleganten, feinwürzigen Art. Der Wein wirkt transparent, klar, saftig und frisch mit einer angenehm druckvoll Säure, einer guten Tiefe und Länge. Eine schöne Entdeckung! Etwas schwerer tue ich mich mit Schmitt’s Kinder 2021 Randersackerer Pfülben. Und zwar sowohl mit dem Apostroph, als auch mit dem Silvaner. Aber nicht, weil das ein schlechter Wein wäre, sondern viel mehr, weil er noch zu jung und unfertig wirkt und viel Luft braucht. Es findet sich eine Exotik im Glas mit einer Ananas und Maracuja, die noch etwas zu stark im Vordergrund steht. Mit Luft wird der Wein dann feiner und blütenduftiger mit etwas Kamille und Ginster. Am Gaumen ist das ein Wein mit viel Volumen und einer eher seidigen und runden Säure und einer für dieses Jahr beeindruckenden Reife. Im Gegensatz zum Staatlichen Hofkeller ist der Juliusspital 2020 Würzburger Stein-Berg ein Jahr älter bei der Präsentation. Aus dem Glas springt einem der Geruch von Bleistiftabrieb, Jod-Tinktur und Küchenkräutern geradezu entgegen. Der Auftakt wirkt durchaus ungewöhnlich. So bleibt es auch am Gaumen. Dabei gefällt mir der Wein durchaus, denn er verbindet eine Saftigkeit am Gaumen mit recht viel Würze, Stein und einer lebendigen Säure. Zudem besitzt er Länge und Zug. 

Flight 4
In diesem Flight sind nur vier Weine, und dann auch noch 2 x 2020 und 2 x 2021. Dafür aber ist die Klasse dieser Weine außerordentlich. Der Am Stein – Ludwig Knoll 2020 Stettener Stein wirkt kräuterwürzig und hell mit Petrichor auf leicht angefeuchtetem Stein. Am Gaumen zieht der Silvaner ganz klar und stringent wie ein Satellit seine Bahn. Würze, Stein, und eine dezente aber sinnliche Frucht verbinden sich mit glasklarer Säure. Ein toller Auftritt für den 2020er. Der Bickel-Stumpf 2020 Thüngersheimer Rothlauf bestätigt den guten Eindruck der Weine in diesem Jahr. Auch dieser Silvaner wirkt dezent, aber in sich ruhend. Leicht rauchig im Duft, dazu dezent zitrisch herb und kräuterwürzig. Den Gaumen kleidet der Silvaner locker aus mit einer Mischung aus knackigem Steinobst und Agrumen. Auch hier bietet sich ein leicht rauchiger Aspekt, ein brillante, druckvolle Säure in Verbindung mit der Mineralität des roten Buntsandsteins, der sich hier durch den Muschelkalk zieht. So ist es auch beim Rudolf May 2021 Thüngersheimer Rothlauf, der ein Jahr jünger ist und entsprechend auch ein anderes Aromenprofil zeigt. Ich probiere Mays Weine zum zweiten Mal, da ich vor drei Wochen im Weingut war. Die Weine haben mich dort schon begeistert und May hat von der Gruppe der dort anwesenden Sommeliers und Journalisten mehr als 1 x Beifall für diese Weine erhalten. Unter anderem für den Rothlauf. Im Duft erinnert er an Rosen, Grüntee und Minze, etwas Limette und grüne Pflaumen, und das, ohne im eigentlichen Sinne grün zu wirken. Da ist etwas Charmantes und Sinnliches in der Nase. Und das zeigt sich auch am Gaumen, wo der Wein einerseits für Druck und Saft sorgt, andererseits aber den Charme-Aspekt nicht vergisst. Das ist ein tiefer, leicht rauchiger, würziger und druckvoller Wein, der fest am Gaumen haftet und dort überhaupt nicht mehr weg möchte. Mit dem Rudolf May 2021 Retzstadter Himmelspfad sorgt das Weingut für den zweiten großen Silvaner in 2021. Der Wein rückt weg von den grünen Noten eher hin zu weißen wie Weißdorn, Weißer Tee, weißer, knackiger Pfirsich und weißer Pfeffer, aber auch wieder Minze, Melisse und weiße Beeren. Am Gaumen wirkt der Silvaner ganz klar und ohne Schnörkel, sinnlich und seidig und doch voller Saftigkeit mit leichter Exotik und etwas mehr spürbarem Holzanteil. Die Dichte und Präzision ist in beiden Weinen hervorragend. Zwei sehr unterschiedliche Weine, aber mit einer klaren Handschrift. Für mich mittlerweile die besten Silvaner aus Franken und der Rothlauf mein Wein der Silvaner-Verkostung!

Top-Empfehlungen:

Rudolf May 2021 Thüngersheimer Rothlauf

Klare Empfehlungen:

Max Müller I 2021 Volkacher Ratsherr

Störrlein Krenig 2020er Randersackerer Hohenroth

Fürst Löwenstein 2020 Homburger Fürstlicher Kallmuth

Bickel-Stumpf 2020 Frickenhausener Mönchshof

Rudolf May 2021 Retzstadter Himmelspfad

Bickel-Stumpf 2020 Thüngersheimer Rothlauf

Am Stein – Ludwig Knoll 2020 Stettener Stein

Zehnthof Theo Luckert 2021 Sulzfelder Maustal

Hier geht es zu Teil 2:

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