Drei Flaschen Wein – Trockener weißer Bordeaux

Es ist ein beliebtes Thema in Weinblogs oder Magazinen, bestimmte Weinarten und Stile für unterbewertet, unentdeckt oder übersehen zu halten. Und so ist es natürlich auch auf Originalverkorkt. Da geht es dann um vermeintliche Underdogs wie Lambrusco, Beaujolais oder z.B. Scheurebe. Wie aber geht man mit Underdogs um, die gar keine sein wollen und deren Flaggschiffe sich preislich und qualitativ mit den besten und teuersten Weinen der Welt messen wollen und können? Wie immer lohnt es sich, genau hinzuschauen. Genau das hat Stephan Bauer gemacht, und widmet sich in den Drei Flaschen Wein dem trockenen weißen Bordeaux.

Der trockene weiße Bordeaux hat es in den letzten 50 bis 60 Jahren nie geschafft, den Stand und das Prestige zu erwerben, das den roten Bordeaux vom linken und rechten Ufer sowie aus Pessac-Léognan zuteil wurde. Dabei waren noch bis in die 1950er Jahre mehr als 50 % der Rebflächen im Gebiet Bordeaux mit weißen Rebsorten bepflanzt, von denen allerdings substanzielle Teile in benachbarten Gebieten destilliert wurden. 

Heute machen weiße Rebsorten ca. 10 % der gesamten Rebflächen im Bordelais aus. Nördlich der Gironde herrschen ganz klar die roten Sorten vor. Südlich der Garonne finden sich die besten Gegenden für trockenen weißen Bordeaux: Es sind Pessac-Léognan und Graves. Rund um das Flüsschen Ciron, das in die Garonne fließt, schafft die Natur optimale Bedingungen für edelsüße weiße Bordeaux: den Sauternes, den Barsac sowie Cadillac, Cérons und Loupiac. Trockene Weißweine sind jedoch auch hier klar auf dem Vormarsch, da der Markt deutlich stärker nach trockenen Weißweinen verlangt als nach edelsüßen. Zwischen Gironde und Garonne findet sich dann neben einigen weniger bekannten Appellationen das Gebiet für die weißen Brot-und-Butter-Bordeaux. Es ist das Entre-deux-Mers, benannt nach den beiden Flüssen (direkt übersetzt zwischen den Meeren), die das Gebiet einrahmen.

Daneben gibt es schon lange ein paar recht bekannte trockene weiße Bordeaux aus den klassischen Rotweingebieten: dazu zählen der Pavillon Blanc vom Château Margaux, der Caillou Blanc von Château Talbot oder der Aile d’Argent von Château Mouton-Rothschild. Sowohl am linken als auch am rechten Gironde-Ufer geht der Trend aber klar zu mehr trockenen Weißweinen. Die bekannten Marken der Châteaux lassen sich durchaus gut auf trockene Weißweine ausdehnen. So erzeugen heute beispielsweise auch Château Palmer, Château Cos d’Estournel oder Château Valandraud trockene Weißweine, teilweise in sehr kleinen Mengen. Jedes Jahr werden weitere Weine auf dem Markt lanciert.

Trotz dieses Zuwachses wird weißer Bordeaux heute trotzdem oft übersehen. In Deutschland sind sie – mit wenigen Ausnahmen – eher selten auf Weinkarten von Restaurants zu finden. Woran das liegt, ist schwer zu sagen. Zum einen haben die in Deutschland gerne in der gehobenen Gastronomie konsultierten Händler keine oder allenfalls vereinzelt weiße Bordeaux im Angebot. Der Vertrieb der Weine erfolgt zumeist immer noch relativ anonym über den Place de Bordeaux über das Vertriebsnetz der Négociants. Das gibt vielen Bordelaiser Weingütern das Image unnahbarer Adelsfamilien und Großgrundbesitzer, das in heutigen Zeiten nur schwer zu verkaufen ist. Zum anderen hat Bordeaux insgesamt (und damit auch weißer Bordeaux) sich den Ruf erarbeitet, hoffnungslos überteuert zu sein. Das gilt auch für den weißen Bordeaux – auch wenn es in Wahrheit nur auf eine Handvoll Weine zutrifft wie den Château Haut-Brion Blanc, der in manchen Jahrgängen für 1.000 Euro angeboten wird oder der Château La Mission Haut Brion Blanc für über 500 Euro. Dieses Image strahlt schnell auf alle Weine derselben Kategorie aus.

Schließlich hat das Bordelais den Trend zum naturnahen oder auch ökologisch erzeugten Wein verschlafen, kann den Rückstand aber vielleicht noch aufholen. Bordeaux steht seit jeher für alles, was die Liebhaber von Naturweinen und familiengeführten kleinen Weingütern nicht mögen: eine eher industriell geprägte Landwirtschaft, große Mengen desselben Weins, einen vermeintlichen Fokus auf Marken (Châteaux) anstatt auf Terroir, ein anonymes Vertriebssystem und den großzügigen Einsatz von Technik und Chemie in der Vinifikation. Zuletzt hat sich jedoch einiges getan. Das „Dirty Hands“ Image der in Naturweinkreisen beliebten Neu- und Quereinsteiger in vernachlässigten Gegenden wie Anjou, Aveyron, Auvergne oder Ardèche werden die Bordelaiser im Zweifel nie erreichen. Das lassen schon die Bodenpreise nicht zu. Aber immer mehr Weingüter achten zunehmend auf eine schonende und nachhaltige Bewirtschaftung ihrer Weinberge nach zertifiziert biologischen bzw. biodynamischen Grundsätzen und eine weniger invasive Vinifikation. Ihnen bleibt auch kaum etwas Anderes übrig. Denn der Klimawandel macht auch vor dem Bordelais nicht Halt und zwingt den Weingütern eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung geradezu auf. 

Ein Beispiel soll hier für einige weitere sowie einen Trend stehen: das mit Abstand beste Weingut in Barsac, Château Climens, vinifiziert seit dem Jahrgang 2018 (im ersten Jahr in Zusammenarbeit mit Pascal Jolivet aus Sancerre) auch einen trockenen weißen Bordeaux unter dem Namen Asphodèle. Der Wein ist ein 100 % Sémillon von den kalkhaltigen Böden von Château Climens. Das Weingut ist Demeter-zertifiziert, der Wein wird spontan vergoren und ausschließlich in Stahltanks ausgebaut. Das ist natürlich kein Naturwein im engen Sinne, aber er ist ein Schritt in eine neue Zukunft. 

Nach langer Vorrede nun aber zu den drei hier vorzustellenden weißen Bordeaux, einem vom linken Gironde-Ufer, einem aus Pessac-Léognan und einem weißen Graves. 

Château Talbot – 2010 Caillou Blanc. Der Caillou Blanc ist ein Klassiker des trockenen weißen Bordeaux am linken Gironde-Ufer. Georges Cordier, Großvater der heutigen Besitzerfamilie und Sohn von Désiré Cordier, der Château Talbot damals für die bekannte Weinhandelsfamilie erwarb, pflanzte als damals einer der ersten weiße Trauben im Médoc an. Seinerzeit war der für den Weißwein vorgesehene Weinberg fast ausschließlich mit Sauvignon Blanc bepflanzt, heute stehen hier ca. 70 % Sauvignon Blanc und ca. 30 % Sémillon. Der Wein wird für ca. acht bis zwölf Monate in Barriques mit einem Neuholzanteil von ca. 40 % ausgebaut. Auf dem Papier darf man sich fragen, warum man diesen Wein kaufen soll. Er ist nicht ganz günstig (im Handel ca. 30-40 Euro je nach Jahrgang), bekommt selten Kritikerpunkte, die über 90 Punkte hinausgehen, und kommt aus einer für Weißwein eher wenig bekannten Gegend. 

Im Glas beantwortet sich die Frage aber relativ schnell. Der Wein hat eine strahlende, mittelgelbe Farbe. Die Nase ist ganz leicht wachsig, auch etwas Honig ist da, dann rote Stachelbeeren, etwas Mirabelle und Reineclaude, Lemon Curd und schließlich orientalische Gewürze. Das ist dicht, elegant und in sich stimmig. Von Holz oder überreifer Frucht ist hier nichts zu spüren. Im Mund setzt sich die Dichte fort, der Wein legt sich seidig über die Zunge, etwas Säure gibt Frische, der Wein wirkt strukturiert, gleichzeitig aber auch süffig. Ein jüngst getrunkener 2013er Caillou Blanc war fülliger und wirkte auch schon etwas stärker gereift, die Mischung aus fast öliger Textur bei gleichzeitiger kühler Frische im Mund wusste aber zu überzeugen.

Château La Louvière – 2014 Pessac-Léognan Blanc. Das Château La Louvière ist im Besitz der Familie Lurton, einer im Bordelais nahezu überall anzutreffenden Familie, denen u.a. auch Château Couhins-Lurton sowie die Châteaux Rochemorin und Bonnet gehört. Hier geht es um insgesamt substanzielle Mengen, aber auch einen schon seit Jahrzehnten verlässlichen Qualitätsstatus. Der weiße Château La Louvière stammt von Weinbergen in Léognan, die überwiegend mit Sauvignon Blanc und nur wenig Semillon bepflanzt sind. Der 2014er Pessac-Léognan Blanc enthält 93 % Sauvignon Blanc und 7 % Semillon und wurde zehn Monate in Barriques mit 30 % neuem Holz ausgebaut.

Die Farbe ist mittelgelb. In der Nase ist der Wein sehr schön frisch und knackig, zeigt Noten von Zitronenöl, Limettensaft, frischen Kräutern und frisch gemähtem Gras. Im Mund ist er dicht und vibrierend, die Säure ist schön knackig, feine zitronige Bitternoten (Zitronenschale) scheinen hier und da durch. Meyer-Zitrone dominiert das durchaus lange Finish. Der Wein ist wirklich animierend und macht Lust auf den nächsten Schluck, er ist vielleicht nicht der komplexeste Sauvignon Blanc dominierte Wein auf diesem Planeten, aber die feinen Bitternoten und die frische Säure machen ihn interessant.

Clos Floridene – 2012 Graves Blanc. Zum Schluss noch einer der Klassiker in den Graves. Der weiße Clos Floridene aus dem Hause Dubourdieu. Denis Dubourdieu starb 2016 viel zu jung. Aber er hinterlässt nicht nur seine Frau und Kinder, die sein Erbe fortsetzen können, sondern trug auch sein Know-How über die Erzeugung hochwertiger Weißweine im Bordelais als Berater in viele Betriebe hinein. Dabei konzentrierte er sich auf Terroirstudien und die gezieltere Bepflanzung bestimmter Böden mit den hierfür am besten geeigneten Traubensorten (im Wesentlichen Sauvignon Blanc und Semillon), aber auch die biologische Bodenbewirtschaftung und Ausbautechniken, um den Weinen mehr Frische zu verleihen.

Clos Floridene ist eines von mehreren Weingütern der Familie Dubourdieu neben u.a. Château Doisy-Daëne in Barsac und Château Haura in den Graves. Der Name des Weinguts setzt sich aus den Vornamen von Denis Dubourdieu und seiner Frau Florence zusammen. Das Weingut liegt in den Graves nah an der Sauternes Region und verfügt für die Weißweine über nahezu dasselbe Terroir wie in Barsac, d.h. Kalkböden mit nur geringer Auflage. Während der weiße Château Doisy-Daëne jedoch zumeist ein reinsortiger Sauvignon Blanc ist, enthält der weiße Clos Floridene im Regelfall um die 50 % Semillon und um die 50 % Sauvignon Blanc. Auch wenn der weiße Clos Floridene relativ stabil preisgünstig ist (um die 20 Euro), ist er ein wunderbar komplexer weißer Graves mit hohem Alterungspotenzial. Der 2012er Clos Floridene ist hellgelb. In der Nase zeigt sich Limette in allen Facetten: Saft, Schale und Kaffir-Limettenblätter, dazu etwas Eisenkraut, gerade reife Aprikose und frische Mandeln. Im Mund ist er knochentrocken, aber rund, sehr mineralisch, kalkig, eher schlank mit frischer Säure und eher wenig Intensität, dafür aber umso mehr Eleganz und Subtilität. Es ist ein Wein, der durch seine Unaufgeregtheit beeindruckt. Ein nur wenige Wochen xpäter getrunkener 2011er (aus der halben Flasche) zeigte sich ähnlich, aber minimal fülliger und cremiger, insgesamt mindestens genauso gut wie der 2012er.

Trockener weißer Bordeaux und Essen
Und wozu trinkt man trockene weiße Bordeaux am besten? Das hängt natürlich stark davon ab, um was für einen weißen Bordeaux es sich handelt. Die etwas fülligeren, reiferen und stärker vom Holz geprägten Exemplare wie Domaine de Chevalier Blanc, Pape Clement Blanc oder Smith Haut Laffite Blanc verlangen nach gegrilltem Meerwasserfisch oder gegrilltem Hummer oder Languste oder auch nach einem Brathuhn mit Zitrone und Thymian. Hier kann das Essen ruhig kräftige Röstnoten ins Spiel bringen. Frische und knackige weiße Bordeaux (wie z.B. der Clos Floridene oder der Domaine La Louvière) sind auch sehr gut zu Austern, zu Muscheln, Meerschnecken oder Garnelen. Besonders gute Begleiter sind die holzarmen weißen Bordeaux auch zu Frühlings- und Sommergemüsen und Gerichten mit Kräutern wie z.B. Erbsen, grüne Bohnen, Dicke Bohnen, Tabouleh und schließlich zu Tacos, die beliebig mit Gemüse, Fisch, Meeresfrüchten oder hellem Fleisch gefüllt werden und mit Limette und Koriander serviert werden.  

2 Kommentare

  1. Interessanter Beitrag! Ich habe vor kurzem damit angefangen, mich näher mit Wein zu beschäftigen und dein Blog ist dazu echt ne klasse Grundlage.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert