Fünfzehn mal Sauvignon Blanc

Sauvignon Blanc nimmt man meist irgendwie so mit, finde ich. Den bestellt man mal mehr oder weniger zufällig im Restaurant oder kauft hier oder da mal ein paar Flaschen. Irre ich mich? Natürlich gibt es jene, die gerne einen vernünftigen Sancerre trinken oder ein Flaschenregal voller Weine von Didier Dagueneau besitzen. Aber ich habe den Eindruck, dass diese Vorlieben selten sind.

Fest steht, dass der Sauvignon Blanc mit zu den Cépages Nobles, den edlen Rebsorten dieser Welt zählt und wahscheinlich aus Traminer x Chenin Blanc entstanden ist. Neben den klassischen Gebieten an der Loire wird er gerade in Neuseeland und Südafrika mit Erfolg angebaut und nach Europa exportiert während hier immer mehr Massenertragswinzer den Sauvignon Blanc als Rebsorte sehen, die einfach zu handhaben ist und sich zunehmend gut verkauft.

Auf eine Stufe mit großen Rieslingen oder Chardonnay dürften ihn die wenigsten stellen. Wie gut Sauvignon Blanc sein kann wollten wir daher mal in unserem Bonner Weinzirkel näher untersuchen und haben uns am Samstag 15 verschiedenen SBs gewidmet, vornehmlich aus Europa.

Stefan Sander, Sauvignon Blanc 2009, Thomas Pichler Sauvignon »Puiten« 2009, Wagner-Stempel Sauvignon Blanc 2008

Über das Weingut Sander habe ich schon mal an anderer Stelle ausführlicher berichtet, als Einstiegswein in die Runde fand ich Stefan Sanders Sauvignon Blanc genau richtig. Der Wein wirkt frisch und belebend, die Spätlese perlt noch leicht, wirkt pfeffrig und dicht und macht es mit seiner leichten Restsüße den meisten in der Runde einfach, den Wein zu mögen. Zum Schluss des Abends noch mal verkostet hat der Wein deutlich an Vielfalt gewonnen, Steinobst mischt sich mit Maracuja und das Pfefferl bleibt im Glas.

Auf Thomas Pichlers Weine bin ich durch Zufall aufmerksam geworden. Ein Praktikant im Büro sprach von ihm, es ist so in etwa der Nachbar seiner Eltern und er schwärmte von den Weinen die Pichler dort in Kaltern am See vinifiziert. Der  Puiten wirkt deutlich grasiger als der rheinhessische SB, etwas grün noch und vor allem ein wenig brandig und bitter in der Kehle. Fiel er zu Beginn in der Runde durch, hat er sich im Laufe des Abends durchaus entwickelt und irgendwann fünf Stunden später hat er das Brandige ein wenig verloren.

Auch Daniel Wagner habe ich hier schon häufiger vorgestellt und ich kam nicht umhin, einen Wein eines meiner Lieblingswinzer aus Rheinhessen mit in die Runde zu werfen. Er macht nur eine Qualitätsstufe Sauvignon Blanc, diese aber hat mir von Anfang an gefallen. Der 2008er SB wirkt schon in der Nase sehr cremig – was sich am Gaumen bewahrheitet. Im Gegensatz zu Sanders eher fruchtbetonten und Pichlers eher grasigen Sauvignon liegt der Fokus bei Wagners Wein beim leicht gekochten Gemüse mit einem Hauch Stachelbeeren und Johannisbeeren. Dabei hat der Wein viel Kraft und Volumen und ist ebenfalls mit einer ganz leichten Restsüße ausgestattet, was nicht jedem am Tisch gefiel.

Weingut Aufricht, Sauvignon Blanc »Lilie« 2008, Johner Estate, »Gladstone« Sauvignon 2008, Reiner Schnaitmann Sauvignon Blanc *** 2008

Aufrichts Sauvignon Blanc ist bekannt und wird geschätzt. Ich kann diese Wertschätzung beim 2008er Lilien nicht wirklich unterstreichen. Der Wein wirkt aufgesetzt, die Komponenten passen nicht ganz zusammen, die Stachelbeernote steht zu stark im Vordergrund, dahinter kommt etwas gekochtes Gemüse und leichtes Gewürz, im Abgang allerdings hat dieser Wein etwas Alkoholisch-Bitteres, was er den ganzen Abend nicht verliert und mir auch schon bei anderen Verkostungen aufgefallen war.

Als Pirat hatte ich an diese Stelle den 2008er Gladstone von Johner Estate, Neuseeland gestellt. Es ist also gewissermaßen nur ein halber Pirat denn der Macher hat schon einen deutschen Weinstil. Nach Aufrichts und vor Schnaitmanns  SB ist beim Gladstone keiner darauf gekommen, dass er aus fremnden Ländern kommen könne. Der Wein besitzt ein feine, kühle Mineralik, wir vermuteten ein höheres Alter, nicht weil der Wein schlaft wirkte sondern eher einige Alterungsnoten in der Nase darauf hindeuteten. Geradlinig wirkt er, mit leichter, aber nicht störender Bitternote, wie etwas Medizinisch-Bitter-Kräutriges. Ein Neuweltwein der überhaupt nicht den Vorurteilen und auch Erfahrungen entspricht, die ich mit neuseeländischen Sauvignons bisher gemacht habe.

Rainer Schnaitmann gehört ja zu den Schooting-Stars der deutschen Weinszene und bis vor wenigen Jahren hätte man kaum vermutet, dass im Raum Stuttgart-Fellbach mal große Weine entstehen würden. Schnaitmann hat bewiesen, dass das geht und seine Spätburgunder und Lemberger können wirklich beeindruckend sein. Bekannt ist er aber auch für seinen Drei-Sterne-Sauvignon-Blanc. Diesen allerdings hätte ich eher bei den burgundischen Chardonnay verortet. Die Nase ist völlig untypisch, es sind eher gelbe, reife Birnen, die hier wirken, Karamell-Créme und Kräuter. Der Wein wirkte an dem Abend ein klein wenig dropsig-aufgesetzt, zwar gut, lang, dicht, aber nicht wirklich fein – was uns alle etwas überrascht hat.


Domaine Vacheron, Sancerre »Les Romains« 2006, Alphonse Mellot »La Moussière« 2005, Tenuta Terlan »Quarz« 2007

Die Domaine de Vacheron, ein biodynamisch arbeitender, ziemlich großer (80 Hektar) Betrieb, hier schon mal erwähnt, liegt im Herzen des Gebietes, im Dörfchen Sancerre. Die Vacherons produzieren ausgezeichnete roten Sancerre genauso wie weltweit anerkannte weiße Sancerre. Der Les Romains ist das Flagschiff des Betriebes, aus den besten Silex-Lagen ausgewählt und im Holzfass ausgebaut. Es ist der bisher feinste, subtilste Wein des Abends, sechs Stunden vorher geöffnet merkt man, dass er noch gut einen Tag mehr hätte haben können. Der Les Romains duftet nach Stein und Kräutern, im Mund findet sich neben Fruchtnoten etwas Salz auf Feuerstein, im Gegensatz zu allen bisherigen Weinen ist er dabei knochentrocken. Ein Sauvignon Blanc für Fortgeschrittene, würde ich sagen, leise, fein, präzise, dicht und lang, großartig.

Aus dem selben Gebiet stammt der – ebenfalls biodynamisch ausgebaute – La Moussière von Alphonse Mellot. Mellot, der auch als Mister Sancerre bezeichnet wird, hat einen deutlichen Anteil am neuen Aufstieg der Appellation. Sein Wein hat stilistisch nichts mit dem zu tun, was die Vacherons unter biodynamisch ausgebautem Sancerre verstehen. Mellot gehört zu jenen, die ihre Weine oxydieren lassen, was man mögen muss, denn es führt zu einer expressiven, dichten Nase vollreifer Birnen und gelber Äpfel, zu dem sich hier ein Hauch Grapefruit gesellt, unterlegt mit etwas Silex. Das ist ein massiver, robuster Wein, der im Laufe des Abends noch gewinnt, zu Beginn jedoch – trotz früher Öffnung – etwas kantig und trotz seiner Alters fast noch etwas unreif wirkt, wobei er es neben der Subtilität des Vacheron auch wirklich schwer hat.

Der Quarz der Tenuta Terlan, Jahrgang 2007, fällt in diesem Flight deutlich hintenrüber. In der Nase Stachelbeer, Cassis, Stein und Gras, im Mund zu viel Alkohol. Schade, der 2006er Jahrgang war deutlich besser und ich glaube auch nicht, dass sich dieser ganze Alkohol noch einbinden wird.

Gross, Sauvignon Blanc »Ratscher Nussberg« 2007 – Tement »Zieregg« 2007 – Lis Neris »Picol« 2007

Der dritte Wein im Flight, der Picol von Lis Neris passt stilistisch viel eher zum Quarz der Tenuta Terlan, die beiden Weine aus der Steiermark dagegen sind eine Welt für sich. Im Lis Neris aus dem Friaul finden sich wieder die Aromen von Stachelbeere, Cassis und ein wenig kräutrige Mineralik, allerdings fehlt hier glücklicherweise die alkoholische Komponente. Insgesamt aber lässt mich der Wein eher kalt.

Ganz anders der Ratscher Nussberg und die Steigerung, der Zieregg von Tement. Ich habe bisher nicht viele Sauvignon Blancs auf diesem Niveau getrunken und sie zeigen auch noch nicht in voller Breite, was sie wirklich drauf haben, dazu hätte man sie länger lagern müssen aber das hier ist schon großes Kino. Im Ratscher Nussberg findet sich von Allem reichlich. Diese Steiermarkschen Weine haben nichts mit der Subtilität eines Vacheron zu tun. Neben einer Veilchen-Laktritznote und Gemüse findet sich Holz, noch nicht ganz perfekt eingebunden aber dafür ist der Wein noch etwas zu jung, viel erdige Mineralik und ein wenig Pfeffer. Der Wein ist saftig, voll und massiv und zeigt, dass das Weingut Gross auch zu den Großen in Österreich gehört.

Der Zieregg von Tement, ebenfalls aus der Süd-Steiermark, wird oft als bester Sauvignon Blanc Österreichs benannt. Das mag sein denn dieser Wein ist beeindruckend gut. auch hier merkt man direkt, welches Potential hinter der Klasse, die er jetzt schon hat, noch schlummert. Er ist erst drei Jährchen alt und dürfte das Potential für ein gutes Jahrzehnt in sich tragen. Veilchen, Blumen, Vanille und exotische Früchte mischen sich in einer Balance aus Wucht und Finesse, Créme und Säure halten sich die Waage und zum Schluss kommt noch eine ganze Ladung frischer Äpfel angerauscht. Klasse!

Angelo Gaja, »Alteni di Brassica« 2006, Langhe – Manincor »Lieben Aich« 2006, Alto Adige – Didier Daguenau »Silex« 2006, Pouilly-Fumé

Wir waren uns ja nicht sicher, ober wir diesen teuren Wein – so um die fuffzig Euro – mit einbauen sollten, wir hatten so ein wenig Bedenken, ob das Verhältnis stimmen würde. Dagueneau ist ja nochmals teurer, dafür ist er legendär, was man von Gajas SB nun im Gegensatz zu seinen Barolo und Barbaresco nicht behaupten kann – dafür ist alles, was er macht immer teuer.

Und der Wein? Ja, er ist teuer und ich würde ihn mir für den Preis nicht kaufen. Aber, er ist gut, sehr gut, eher zurückhaltend in der Nase mit ein wenig Limonenschale und etwas Stein wirkt der Wein von Beginn an, wir hatten die letzten drei Weine karaffiert, crémig und gleichzeitig säurebetont fordernd mit einem ganz eigenen Charakter der sich weder zu den Loire-Getreuen gesellt noch zur deutschsprachigen Gemeinde.

Kürzlich bin ich bei meiner Recherche über Thomas TeibertDomaine de l’Horizon, auf den Sauvignon Blanc »Lieben Aich« gestoßen. Thomas Teibert war Kellermeister bei Manincor, dem Weingut der Grafen Goess-Enzenberg, einem biologisch-dynamisch arbeitenden Südtiroler Gut mit viel Renomée und er hat auch Jahrgänge des Lieben Aich verantwortet, den Kritiker zum besten Sauvignon Blanc Italiens zählen. Die Rebstöcke aus der Lage Ansitz Liebenaich in Terlan stehen auf sandhaltigem Lehmboden mit Porphyruntergrund, der Wein wird spontanvergoren und in verschieden großen Fässern ausgebaut (300 – 500 Liter).
Der Wein greift das auf, was ich bei Mellot beschrieben hatte. Es findet sich eine oxydative Note mit dem Duft vollreifer Birnenquitten, mürben Apfels, Holunder und, etwas später, tropischer Früchte wie Kiwi und Papaya. Das ist ein mollig-runder Wein auf höchstem Niveau der voll ist und dicht, aber nicht zu opulent, nicht zu schwer, ich ertrinke nicht in diesen vollreifen Obstnoten zu denen sich noch eine leichte Honignote gesellt denn die Mineralik und Säure steht fast perfekt dagegen.

Was für ein Kontrast bildet wiederum der Silex von Didier Dagueneau! Und wie begeisternd sind die letzten beiden Flights, den Lis Neris mal ausgenommen.
Der Silex, ca. 10 Stunden vorher geöffnet, nach 5 Stunden karaffiert, geht, so scheint es, im Glas noch weitere Entwicklungsstufen durch. Zunächst wirkt er wild und verschlossen, leichte Spontanvergährungsnoten stehen im Vordergrund. Dann öffnen sich Zitrone und Limonen, etwas grüne Bohnen und ein Hauch von Kräutern und ein wenig Rauch und Pfeffer. Die Struktur, die dieser Wein hat ist beeindruckend und schwer zu fassen. Die Aromenpalette in ihrer ganzen Breite mal beiseite gelassen ist das Eine; die Dichte, der Druck, die unglaubliche Länge, die Mineralität ist das Andere. Und die Präzision des Ganzen macht den Wein groß. Man merkt, was für ein Typ Mensch Dagueneau gewesen sein muss, wenn man diesen Wein trinkt.

Tja. Sauvignon Blanc…

Überraschend, wie vielschichtig diese Rebsorte ist. Die am Samstag verkosteten Weine hatten teils so überhaupt nichts miteinander zu tun als wären es grundverschiedene Rebsorten. Das verwundert nicht grundsätzlich, hängt es doch wie immer ab von Boden, Mikroklima und besonders an der Art des Ausbaus. Und doch, bei Riesling beispielsweise kommt es sehr selten vor, dass die Rebsortentypizität so stark hinter der Art des Ausbaus verschwindet.
Fest steht für mich, dass diese Rebsorte hervorragende, in der absoluten Spitze große Weine hervorbringen kann wenn diese Spitze allerdings auch sehr übersichtlich sein dürfte. Einige Weine dieses Abends werden definitiv in Erinnerung bleiben und das sind bei mir vier, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Vacherons »Les Romains«, Tements »Zieregg«, Manincors »Lieben Aich« und Dagueneaus »Silex«.

10 Kommentare

  1. Ach, schade, dass ich nicht dabei sein konnte. Die Kritik an Aufrichts 2008er kann ich in nachvollziehen, wenn ich sie auch nicht ganz teile. Unbestritten aber: der 2007er spielte in einer ganz anderen Liga. Aldinger hätte übrigens noch sehr gut neben den Schaitmann gepaßt.

    Was das Duell Tement vs. Gross betrifft, so ist es – allerdings nicht innerhalb eines Flights (wohl aber innerhalb einer Probe) – bei uns vor geraumer Zeit genau anders herum ausgegangen. Zu mächtig schien uns das Holz beim 2005er Zieregg, als dass wir uns hätten vorstellen können, dass es sich irgendwann einmal einbindet. Der Wein hatte allerdings mit dem Te Koko von Cloudy Bay und dem Smith Haut Lafite Blanc auch extrem gute Gegenspieler. Letzteren würde ich übrigens gerne einmal in einem Flight zusammen mit dem Silex verkosten…

  2. Ja, ich auch, wir hatten auch Cloudy Bay und Schmitz-Haut eigentlich eingeplant aber wir waren zu wenig Personen für zu viel Wein.

    Beim Zieregg hat Tement das Holz in den letzten Jahren deutlich reduziert, das macht ihn besser, finde ich. Es war eigentlich der leckerste Wein des ganzen Abends.

  3. Dann muss ich eben beim nächsten Mal doch früher aus dem Urlaub zurückkommen, damit das mit den Weinen klappt ;-).

  4. 😉 Vielleicht bist du beim nächsten Mal gar nicht im Urlaub? Nächstes mal gibt es gereifte weiße Burgunder.

  5. Schöne Notizen!
    Das sind natürlich Weine, die nicht der Rebsorten”masse” angehören…

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