Bordeaux Trip zwischen Vinocamp und VinExpo, 4 – Château Haut-Brion

Während sich das Fußvolk, zu dem ich mich eigentlich zugehörig fühle, an so einem Messeabend die örtlichen Weinbars und Brasserien überfällt oder von einem Händler oder Winzer eingeladen wird, gibt es eine auserlesene Zahl von Weinfreunden, die auf die hiesigen Schlösser geladen werden. Sonntags lädt Haut-Brion, montags Rothschild, dienstags ich weiss nicht wer.

Gold auf Bütten, die Einladung

Es war Sonntag, ich hatte die in Bütten gepresste Einladung seiner Exzellenz, des Prinzen von Luxembourg in der Tasche – natürlich hätte ich sie nicht gebraucht, mein Name stand ja auf der Gästeliste und die Karte war viel zu groß um sie ungefaltet in die Tasche stecken zu können. Aber man weiss ja nie, wenn man mit den Gepflogenheiten wenig vertraut ist – Stichwort Fußvolk – bestieg ich den Shuttle-Bus, der vor dem zentral gelegenen Office de Tourisme wartete.

Unscheinbare, doch verflucht teure und gepflegte Weingärten – Haut-Brion

Es saßen schon einige Personen im Bus und die Männer trugen Smoking. Alle. Plötzlich wurde mir die wahre Bedeutung des Begriffes Black Tie bewusst. Stichwort Fußvolk, erneut. Ich musste innerlich lachen, hatte ich mich doch gefragt, warum man denn ausgerechnet eine schwarze Krawatte tragen sollte als einzigen Dresscode während mir jene, die mir die Einladung hatte zukommen lassen noch meinte, zur Not ginge auch eine schwarze Fliege. Früher wäre mir das hochpeinlich gewesen, heute ist es Stoff für einen guten Twit. Ausserdem kamen nach mir noch ein paar andere mit Krawatte und schließlich Oz Clarke, der weder noch trug sondern vielmehr, und dafür ist er bekannt, eine etwas aufgewertete Straßenkleidung am Leib trug. Er pfeifft auf Dresscode und kann es sich leisten. Ich finde dieses Markenzeichen durchaus angenehm.

Der Weg gesäumt von Hostessen

Nichts desto trotz wäre, um dem Rahmen gerecht zu werden, ein Smoking durchaus angemessen gewesen. An diesem Abend, man erwartet das ja bei Bütten und Goldrand, wird nicht gekleckert. Schon der Weg zum Innenhof des bemerkenswert schönen Schlösschens wird gesäumt von Hostessen die zu nichts anderem da zu sein scheinen, als mich anzulächeln und den Weg zu weisen. Im Innenhof stehen, um einen Turm herum gruppiert aus dem dezent einige Fotografen ihre Chipkarten füllen, sechs Stationen, an denen je drei unterschiedliche Sauternes ausgeschenkt werden während futuristisch anmutende Häppchen gereicht werden. Beispielsweise Bille de foie gras et rhubarbe à la baie rose oder Oeuf en chaus froid vinaigrette xérès et sirop dérable, einem eratischen Eischaum in Originalhülle, sprich mit dem Strohhalm aus dem halb geköpften Ei gesogen.

Die Winzer der Grand Cru Classé en 1855 stellen sich zum Gruppenfoto

Da dies eine Einladung der Gruppe der Grand Cru Classé Weingüter ist werden entsprechend Grand Cru Classé Sauternes kredenzt. Wenn ich ehrlich sein darf, hätte es mir nichts ausgemacht, mit einer Gruppe von Freunden den Rest des Abends an jenem Tisch zu verweilen, an dem es La Tour Blanche gab und diesen exzellenten 2008er Lafaurie-Peyrague. Stattdessen habe ich hier und da probiert und mir Notizen gemacht, also im Prinzip das Gleiche wie Oz Clarke der mich angrinst und meint „I’m just here for working“.

Eisgekühlter Sauternes

Was ich ja besonders amüsant fand an diesem Abend war, dass ich, während ich insgeheim der Musik von Mahler und Pergolesi lauschte, jemanden suchte, mit dem ich mich würde unterhalten können und irgendwann eine Person fand, die ich zwar nicht kannte, der ich aber schon auf verschiedenen Verkostungen in Deutschland über den Weg gelaufen bin. Peer J. Pfeiffer ist Directeur Export bei Borie-Manoux, ein angenehmer Gesprächspartner und im weiteren Verlauf des Abends mein Tischnachbar, nicht weil wir gemeinsam in Richtung des Tisches 28 gegangen wären sondern eher obwohl, ein reiner Zufall also.

Gleich werden wir gebeten, einzutreten

Ebenfalls ausgesprochen amüsant und kurzweilig war die Gesellschaft des Finnen Jouko Mykkänen, Columnist, Dozent und Sommelier in Helsinki. So eine unbekannte Tischrunde hätte ja im Zweifelsfall auch durchaus Langeweile aufkommen lassen können denn der Abend ging erst spät nach Mitternacht dem Ende entgegen. Doch weit gefehlt, ich habe mich gut unterhalten. Wozu nicht zuletzt die Form der Inszenierung beigetragen hat. Man beachte das Glaszelt und die Lüster, die Anzahl der Kellner die zusammen mit den drei Dreisterne-Köchen den Abend auf ein beachtliches Niveau gehoben haben, auch wenn man die Leistung der Küche für 350 geladene Gäste nicht damit vergleichen kann, für ein überschaubares Publikum in einem Gourmet-Tempel zu kochen. Das ist nicht Drei Sterne, aber fast, und das ist beachtlich. Zu Beginn übrigens spricht dann zunächst der Prinz, dann Alain Jupée, die Weine werden jeweils von geladenen Master-Sommeliers beschrieben, im Falle von Haut-Brion war es, glaube ich, Markus del Monego.

Unsere Weinkellnerin und eine beträchtliche Anzahl Gläser

Ach, und wenn ich über Niveau und Qualität schreibe und über besonderes Vergnügen, dann sollte ich an dieser Stelle die Weine nicht außer acht lassen denn nach diesen ganzen Sauternes Herrlichkeiten gab es je zwei Jahrgänge Château Lascombes und Château Lynch-Moussas. Der Besitzer von Lascombes saß mir zur Linken, seine Frau quer gegenüber und Peer Pfeiffer vertrat Lynch-Moussas, denn dies ist eines der Château neben Batailley, Trotte Vieille und anderen, die sich im Besitz von Borie-Manoux befinden.

Hummer zu mittelschwerem Bordeaux

Also Lascombes und Lynch-Moussas 2003 zu einer Vorspeise von Alain Passard, 1996er Lascombes und 1985er Lynch-Moussas zu unten abgebildetem Hummer mit Erbsen und roten Früchten, einer Komposition von Anne-Sophie Pic.

Während wir zu Tische sitzen baut sich draussen immer wieder auf’s Neue die Phalanx der Kellner auf

Zu carré de veau rôti dann wurde der Wein des Hauses kredenzt, ein 1975er Château Haut-Brion 1er Grand Cru Classé aus der Doppel Magnum, was ein wirklich schöner, aber kein überragender Wein war. Immer noch absolut frisch mit ausgezeichneter Säure und feinen Tanninen. Eukalyptus, Zedernholz, Erde und dunkle Früchte in der Nase, Mineralität findet sich, Noten von Paprika und dunklen Beeren am Gaumen, auch hier etwas Erdiges, auch einige grüne Komponenten, mittlerer Körper und guter Abgang. Ein eher rustikaler, Oldschool-Bordeaux.

Meine Tischrunde

Begeisternd jedoch, ja phantastisch der 1990er Château d’Yquem zum so genannten Neun-Sterne-Dessert, einer Gemeinschaftskreation von Pic, Passard und Alleno.

Der Wein hat ja mit seinen 21 Jahren gerade mal die Volljährigkeit erreicht, ist absolut frisch und knackig, er hat viel Kraft, Substanz, Länge, ist dicht und balanciert, sprich, von allem genug – aber da ist nichts, was zu üppig wäre. Wahre Größe also und ein ehrfürchtiger, dankbarer Weblogger der dabei fast vergisst, dieses ausgezeichnete Dessert zu verspeisen.

Auf dem Weg zum Ausgang passierten wir dann erneut den Innenhof, wo die Weinkühler längst durch Espressomaschinen und einige Flaschen Cognac von Tesseron ersetzt worden waren, dem Cognac jener Familie, der im Paulliac das Château Pontet-Canet gehört.

Blick auf das angestrahlte Château

Nach dieser wahrhaft fürstlichen Veranstaltung ließen es sich die Gastgeber dennoch nicht nehmen, uns noch eine Glaskaraffe mit Château-Signet mit auf den Weg zu geben. Schade, dass man auf den Flughäfen so lausig mit dem Gepäck umspringt denn trotz Vorsichtsmaßnahmen und stabiler Umverpackung – die Glaskaraffe befand sich in einer Original Haut-Brion-Holzkiste – hat das Glas den Flug nicht heil überstanden.

Im nächsten Teil dann geht es zurück zur Basis, zur Scholle. Der Sprung könnte kaum weiter sein, aber Erdung tut gut. Ich selber jedenfalls habe mir im Hotel noch ein Glas Wein eingeschenkt, einen Cru Bourgois, ganz bürgerlich, und ein paar Zeilen im demokratischen Weinbuch waren auch noch drin.

5 Kommentare

  1. Schöne Berichte, Christoph, gut ausbalanciert zwischen Anerkennung und Distanz;-). Alles in Allem sicher ein interessantes Erlebnis – auch wenn auf dem ersten Deutschen Vinocamp in Geisenheim der Dresscode lockerer, Stimmung und WLAN perfekt und das soziale Netzwerken, on- und off-line leichter waren:-)!

  2. Da warst Du bei Königs mit allem Zappzarapp. Hui. Traue ich mich ja gar nicht mehr, Dich an unseren Mittagstisch einzuladen…

    Klasse Dokumentation, die Fotos fangen die Stimmung wunderbar ein. Von mir aus darfst Du nun wöchentlich auf Weinreise gehen 🙂

  3. Christoph

    @Iris Danke! Ja, die ganze Schose mit dem WLAN auf der Messe war ein wenig ärgerlich. Überhaupt habe ich gemerkt, dass es schwierig wird parallel zu irgendwas diese ganzen Apps auf dem iPhone zu bedienen, wenn man gleichzeitig aufmerksam und dem Gesprächspartner respektvoll gegenüber treten soll. Also habe ich nur zwischendurch versucht, zu twittern etc. weil aber auf Grund teils fehlender Netze schwierig war. Ist aber eh schöner, in Ruhe eine Nachbetrachtung zu schreiben.

    Die ganzen Vinocamp-Berichte hören sich gut an, nächstes Mal bin ich mit Sicherheit dabei 🙂

    @fishy_ Doch, ich freue mich drauf, mal wieder bei Euch Platz nehmen zu können!

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