Blanc de Blancs Champagne: Teil 5 – Über Billecart-Salmon, Thienot, Taittinger und Laval

Sie kommen spät, aber sie kommen, die großen Nummern in der Champagne. Im Gegensatz zu dem Output der großen Häuser und Genossenschaften umfasst das, von dem ich bisher gesprochen habe, also die Weine der Winzer, ein Promille. Nicht in der Qualität, aber in der Produktion.

In der Champagne gibt es übrigens sehr unterschiedlichen Typen zugelassener Winzer. Die, die wir bisher kennengelernt haben, sind die RMs und die NMs. Die Récoltants-Manipulants produzieren Champagner lediglich aus eigenen Trauben. Das ist die absolute Minderheit. Viele Winzer, auch kleine, kaufen Traubenmaterial dazu, nicht zuletzt deshalb, weil es ihnen nicht möglich ist, zusätzliches Land zu erwerben. Diese nennt man dann Négociant-Manipulant, Winzer, die gleichzeitig auch mit Traubenmaterial handeln dürfen. Hinzu kommen die CMs, die Coopérative-Manipulante, Genossenschaften, die Champagner erzeugen. Nicolas Feuilatte beispielsweise ist der Handelsname einer Genossenschaft, er suggeriert einen einzelnen Winzer, dahinter stehen jedoch Hunderte. Bleibt noch die MA, die Marque d’Acheteur, die Handelsmarke. Die Abkürzung steht dann beispielsweise auf einer Flasche Veuve Monsigny.

Die vorletzte Begegnung des Abends hatten die Häuser Billecart-Salmon und Alain Thienot. Billecart-Salmon gehört zum gestandenen Adel der Region, distinguiert, zurückhaltend, qualitätsorientiert, gediegen. Alain Thienot ist Selfmade-Man, hat in den achtziger Jahren ziemlich viel Land in der Champagne gekauft, selbst von Krug, mittlerweile hat er auch einiges im Bordeaux erworben. So ungleich die Winzer, so ungleich sind auch die Champagner. Die einzige Gemeinsamkeit ist auch hier wieder die Rebsorte. Billecart-Salmons Millèsime Brut stammt aus dem Jahr 1998 und stammt aus ganz verschiedenen Lagen der Côte de Blancs, der La Vigne aux Gamins stammt aus einer Einzellage in Avize aus dem Jahr 1999.

Blanc de Blancs Brut 1998, Billecart-Salmon
Die Familie der Billecart lebt seit dem 16. Jahrhundert in Mareuil-sur-Aÿ . Das Champagnerhaus wurde 1818 gegründet und befindet sich immer noch im mehrheitlichen Besitz der Familie. Es ist ein Produkt der Heirat zwischen Nicolas François Billecart und Elisabeth Salmon, die einen nicht unbeträchtlichen Besitz in Chouilly, in der Côte des Blancs, beigesteuert hat. Billecart besitzt 15 Hektar, sieben in Damery, Marne, vier an der Côte de Blancs, und zwar in Chouilly, Avize und Le Mesnil, sowie vier Hektar in Aÿ und Mareuil-sur-Aÿ. 50 weitere Hektar sind gepachtet, dazu Trauben von 100 weiteren Hektar hinzugekauft. Die Familie besitzt vier Presshäuser in Mareuil-sur-Aÿ, Mailly, Le Mesnil-sur-Oger und Damery.

Im Gegensatz zu den meisten Winzerchampagnern ist es bei den größeren Produzenten üblich, relativ früh zu ernten, der Alkoholgehalt liegt üblicherweise bei 10%. In den so genannten Häusern, den klassischen Champagner-Produzenten, wird viel mehr im Keller gemacht als bei den Winzern. Gilt dort eher das Prinzip, aus einer Lage und einem Jahrgang das Beste herauszuholen und schon viel mehr dafür im Weinberg zu unternehmen, können und wollen sich die großen Häuser Jahrgangsschwankungen bei den meisten Weinen gar nicht leisten. Der Kunde möchte dies nicht. Und die Tradition ist eindeutig. Wer Champagner eines renommierten Hauses kauft, möchte eine gleichbleibende, nicht allzu schwankende Qualität. Die Jahrgangschampagner werden dementsprechend nur in den guten Jahrgängen produziert und allein sie bringen eine gewisse Individualität, auch wenn diese begrenzt bleibt. Das hat alles sein Für und Wider und spricht auch keineswegs gegen die vorhandene Qualität eines Stils. Für mich gehören Krugs Champagner beispielsweise zum Besten, was ich kenne – auch und gerade wegen des gleichbleibenden Stils. Nur ist der Ansatz eben ein anderer.

©:Billecart-Salmon

Seit 2001 gibt es, um auf Billecart-Salmon zurückzukommen, eine ultramoderne Kellerei in Mareuil. Das Haus ist bekannt für eine doppelte Klärung, speziell bei der zweiten wird der Most abgekühlt auf unter 5 Grad, wobei die Trubstoffe ausflocken, dann wird der Most auf bis 15 Grad langsam erwärmt und es beginnt die Gärung. Das alles passiert ohne Enzyme, Filterung oder Zentrifugen. Die Gärung verläuft über 5 Wochen, danach bleibt der Wein auf den Trubstoffen für ca. 5 Monate mit zweiwöchiger Battonage.

Der Wein selber war ganz ausgezeichnet. Ich glaube, er hat es hinter den so individuellen Persönlichkeiten der Winzer-Champagner etwas schwer gehabt, da er seidiger ist, feiner, eleganter, ja aristokratischer. Aber was für ein ausgezeichneter Blanc de Blancs: Reich an Frucht und rassig, mit süßem Brot, eine Verbindung aus Brioche und Shortbread. Neben der Frucht findet sich deutliche Mineralik und eine feine Säure. Dabei ist der Wein crémig und reif mit einem langen Abgang.

La Vigne aux Gamins 1999, Brut Blanc de Blancs, Champagne Thienot
Die Familie Thienot gehört zu den Aufsteigern in der Champagner-Szene. Vom ganzen Habitus und der Größe, die sie erreicht hat, aber auch vom Selbstverständnis her und von der Ausrichtung der Marken gehört sie mit zum vorderen Feld in der Champagne. Die Familie besitzt über 30 Hektar guter und sehr guter Lagen und ein Kleinod, einen alten Weinberg in Avize, eine mit Chardonnay bestockte Grand Cru Lage. Diese wird unter dem Namen La Vigne aux Gamins seit dem Jahrgang 1996 als Einzellage ausgebaut. Der deutsche Importeur bewirbt den Wein mit folgender Aussage: die Clos des Mesnil von Selosse und Krug spielen nicht in einer anderen Liga. Ich muss sagen, ich fand das ein wenig hochgegriffen. Eigentlich hat dieser Champagner bei uns keinen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen. Er hatte nicht den ausgleichenden Charakter der Billecarts und Taittingers und auch nicht den eigenen, kompromisslosen der formidablen Winzer. Zudem wirkte er trotz Dekantierens ziemlich verschlossen. Trotzdem, da ist viel Substanz, viel prägnante Säure, Kraft und auch Balance und man sollte ihm nicht Unrecht tun, er braucht wohl noch mehr Zeit.

Les Chênes 2004, Cumières Premier Cru Brut Nature, Georges Laval
Wie bei Dufour kann man auch die Lavals lange suchen, bevor man sie findet. Es gibt lediglich ein kleines Klingelschild. Trotz des Understatements findet man hier eine der feinsten und ungewöhnlichsten Adressen in der Champagne. Das wissen die Lavals und entsprechend sind auch die Preise. Der Einstiegswein beginnt in Deutschland bei knapp € 50 und die Linie endet bei knapp unter € 200 Euro. Das ist schon ein Wort, und es ist ungewöhnlich für Winzer, solche Preise zu nehmen, die höher liegen als manche Prestigecuvée berühmter Häuser, doch die Preispolitik scheint zu funktionieren.

Die Lavals bauen seit 4 Generationen Wein an, Georges Laval begann mit eigener Abfüllung 1971, der Sohn Vincent arbeitet seit 1991 mit und ist seit 1996 für den Keller verantwortlich. Die Lavals besitzen lediglich 2,5 Hektar inklusive einem halben Hektar Meunier in Chambrecy, dessen Ertrag an den Nego verkauft wird. Die restlichen zwei Hektar liegen alle in Grand Cru Lagen in Cumières und sind 30 bis 70 Jahre alt. Biologisch-organisch wird schon seit 1971 gearbeitet, womit die Lavals zu den ersten Winzern gehören, die gänzlich auf Chemie im Weinberg verzichtet haben. Die Trauben werden in traditionellen Conquard-Pressen gepresst, und zwar in den kleinen für 2.000 Kilo. Bei Laval wird sehr reif gelesen – der Blanc de Blancs beispielsweise bei 11,5% Alkohol, das merkt man den Weinen immer an. Hinzu kommt der Verzicht auf Chaptalisation, dafür gibt es Spontanvergärung, keine Schönung, keine Filtration, keine Stabilisierung und ein minimaler Einsatz von Schwefel, der immer unter 20 mg bleibt.

Vincent Laval | Foto links ©: Thomas Iversen, Mad about Wine, Foto rechts ©:Familie Laval

Wir haben es hier mit dem Blanc de Blancs Les Chênes, also im besten Sinne mit einem Naturprodukt zu tun, von einem Winzer mit Minimalertrag – 1.776 Flaschen wurden abgefüllt, dazu 10(!) Magnums. Irgendwer sagte mal, dass Laval sehr guten Burgunder mit Bläschen herstellen würde, und ich finde, dass das eine gute Beschreibung ist. Der Champagner ist sehr burgundisch weinig und dafür aber wenig Champagner, viel weniger als beispielsweise La Bolorée. Und wenn Cedric Bouchard weniger Druck auf den Flaschen hat als üblich, würde es mich bei Laval nicht wundern, wenn das bei ihm genauso wäre. Der Champagner ist außerdem sehr reif, aber nicht überreif, deutlich mineralisch und kalkig – kein Wunder, das Terrain ist reiner Kreidekalk mit einer geringen Auflage von 40 cm. In der Nase finden sich Maracuja und Zitronen, Honig und Brotteig, am Gaumen explodiert die Maracuja geradezu, dazu kommen Mango und Limette sowie Steinobst. Auch hier Kalk, Mineralität, gute Säure, alles sehr dicht und noch gar nicht richtig offen. Der Wein ist, wie viele an diesem Abend, einfach noch zu jung, aber das ist nicht wirklich schlimm. Er ist jetzt schon ausgezeichnet, die Maracuja vielleicht im Moment noch zu vordergründig, es fehlt ein wenig die Balance und Feinheit, aber bitte, geben wir auch ihm noch Zeit, dann wird das ein ganz großer Wein, das finde ich hier viel deutlicher als beim Vigne aux Gamins.

Comtes de Champagne 2000, Blanc de Blancs, Taittinger
Fein, subtil, elegant und voll ist der Comtes de Champagne von Taittinger und auch bei einer verdeckten Verkostung wäre deutlich geworden, dass wir es hier mit einem Spitzenprodukt aus großem Haus zu tun haben. Zu deutlich ist der Unterschied zum Stil der Lavals, Bouchards oder Bérèches. Er repräsentiert den Stil des Hauses Taittinger, bei dem Eleganz über Fülle und Expressivität steht, sehr gut und ich denke, es ist kein Zufall, dass ausgerechnet ein Blanc de Blancs als Préstigecuvée diesen Stil in seiner reinsten Form wiedergibt. Der Wein stammt aus den besten Lagen der Côte de Blancs, vornehmlich aus Avize, Le Mesnil, Oger, Chouilly und Cramant. Mittlerweile wird dem Jahrgang eine kleine Menge Resèrvewein hinzugefügt, der aus dem Holzfass stammt. Der 2000er gehört nicht zu den größten Jahrgängen und ist nicht so eindrücklich wie beispielsweise der 1996er Comtes de Champagne, wirkte aber durchaus elegant und schon ziemlich offen, mit einer ausgezeichneten Balance und Länge. Das macht schon sehr viel Spaß.

Taittinger wurde übrigens 1734 von Jacques Fourneaux gegründet und 1930 von den Taittingers erworben. 1942 wurde das Haus am Place Saint-Niçaise in Reims etabliert, auf den Grundmauern einer alten Abtei und deren Kreidegängen, die teils ins 4. Jh zurückdatieren. Die Gebrüder François und Claude haben sich viel Reputation erworben, nachdem sie ihren bei einem Autounfall gestorbenen Vater sehr früh in der Leitung ersetzen mussten. Heute trägt Pierre-Emmanuel Taittinger die Verantwortung. Das Haus gehörte längere Zeit zur Gruppe Société du Louvre, die 2005 von einer Kapitalgesellschaft gekauft wurde. Da diese mehr Interesse an anderen Teilen des Konglomerats hatte, konnten Taittingers das Haus zurückkaufen. Ich selber habe bei der Auswahl der Weine bewusst Taittinger und Billecart-Salmon genommen. Dabei war für mich nicht nur die Qualität entscheidend, sondern auch der Umstand, dass sich die Güter in Familienbesitz befinden und nicht zu einem Großkonzern gehören.

Foto ©: CIVC

Wenn ich den Blanc de Blancs-Abend Revue passieren lasse, kann man kaum darüber streiten, dass die Champagner der Winzer individueller, charakteristischer, klarer, präziser waren und letztlich im Ganzen mehr Persönlichkeit aufwiesen als die der größeren Hersteller. Billecart und Taittinger dagegen trumpfen mit ihrer Balance, der Finesse, Elegance und ihrer Breite. Ich persönlich hätte mich, wenn ich die Weine in eine Ordnung hätte bringen sollen, an diesem Abend vor allem anderen für Léclaparts L’Apôtre und Cédric Bouchards La Bolorée entschieden, dicht gefolgt von Taittinger und Laval. Doch untern Strich ist das nicht entscheidend. Wichtiger war es, zu sehen, welch enorme Bandbreite bei qualitativer Dichte an diesem Abend vorhanden war. Ich erinnere mich gerne an die Brillianz von Bérèche und Larmandier-Bernier, die Fülle von de Sousa im unteren Preisbereich. Der Abend war entsprechend schon beeindruckend, bevor die richtigen Highlights kamen.

 

 

 

4 Kommentare

  1. Ich liebe Blanc de Blancs Champagner, und vor allem die von Billecart Salmon. Der Stil von Billecart unterscheidet sich von vielen anderen (deutlich größeren) Häusern. Der Erfolg gibt ihnen aber recht – in fast jedem Top Restaurant der Welt gibt es Billecart Champagner.

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