Eine umfangreiche Silvaner-Probe rund um den Jahrgang 2019

Der August stand bei mir ganz im Zeichen des Silvaners. Nach meinem Urlaub habe ich drei Tage lang für den Feinschmecker Weinguide vor allem fränkische Weine verkostet – mit einem naturgemäß hohen Silvaneranteil. Dann ging es zur Vizenburg, wo Konni, Evi und Freunde zum zweiten Silvanerfest geladen hatten, was eine sehr schöne Veranstaltung war. Der Ort ist schon besonders, die Silvanerwinzer aus allen Teilen der deutschen Weinwelt, bestes Essen, gute Musik und natürlich Silvaner in allen Facetten. 

Heute geht es aber um eine Probe, die ich mit meinem Freund Siggi in meiner alten Bonner Weinrunde organisiert habe, zu der ich seit der Gründung gehöre und die ich – so oft es mir irgend möglich ist – auch besuche. Wer hier ein bisschen zurückblättert, findet eine weitere Probe aus diesem Jahr, an der ich beteiligt war, da ging es um Muscadet und dann noch viele weitere aus meiner Zeit bis 2012, als ich noch in Bonn gewohnt habe.

Silvaner also … gar nicht so einfach zusammenzustellen, wenn beide eine so große Auswahl an Weinen haben. Geeinigt haben wir uns natürlich trotzdem, die Weine dann nachmittags geöffnet und daraufhin die Reihenfolge zusammengestellt. Eingeschenkt wurde verdeckt, bewertet auch, danach wurde über die dann bekannten Weine weiterdiskutiert.

Silvaner … eine uralte Rebsorte die aus einer Spontankreuzung von Savagnin, also Traminer und Österreichisch Weiß hervorgegangen ist. Ursprünglich wohl aus Österreich stammend, wurde die Sorte laut Belegen des Fürstlich Castell’schen Domänenamtes 1659 in Castell gepflanzt. Lange war sie ein echtes Arbeitstier und war sowohl in Franken als auch in Rheinhessen die Brot & Butter-Sorte und weit ins 20. Jahrhundert hinein die am häufigsten angebaute weiße Rebsorte.  Doch nicht nur die typischen hohen Erträge haben dem Silvaner einen teils zweifelhaften Ruf eingebracht, auch die oft sehr hohe Reife und später eine typische kühle Vergärung, aromatisierende Reinzuchthefen, Enzyme und Schwefel schon früh im Gärprozess. So ist der Silvaner geschmacklich dort gelandet, wo all die anderen Sorten wie Bacchus, Scheurebe und Müller-Thurgau, die im fränkischen oder auch rheinhessischen Weinbau populär waren, längst angekommen waren, nämlich im geschmacklichen Niemandsland, wo nicht mehr die Rebsortentypizität wirklich zählte und erst recht nicht das Terroir; denn das war ohnehin in großen Teilen durch Mengen an Glyphosat totgespritzt worden. Nein, es zählte die Primärfrucht. Und das ist einfach nicht die Stärke des Silvaners. 

Der Blick der Winzer auf die Sorte hat sich jedoch in den letzten 15 Jahren glücklicherweise deutlich verändert. Eine veränderte Bodenbearbeitung und Laubschnitt, viel mehr biologischer Weinbau, frühere Lesezeitpunkte, Spontanvergärung etc. haben bei der Sorte den eigentlichen Charakter hervorgehoben und auch die Korrespondenz der Sorte mit dem Terroir. Und so wird der Silvaner glücklicherweise auch als Qualitätsrebsorte wahrgenommen, dessen beste Vertreter es durchaus aufnehmen können beispielsweise mit sehr guten Chenin Blancs oder Chardonnays. 

Begonnen haben wir mit einem 2018er Winzersekt Alte Reben Silvaner Brut Nature vom Weingut Ilmbacher Hof, gemacht von Thomas Fröhlich. Der Sekt stammt von den nach eigener Aussage ältesten Reben Iphofens, gepflanzt 1974. Der Sekt wurde nach 24 Monaten Flaschenreife ohne Dosage degorgiert. Ein feinfruchtiger, reifer Schäumer mit einer Mischung aus Kernobst, etwas Gemüse, Speck und Wachs. Am Gaumen mit guter Fülle und Stoffigkeit. Ein Sekt, dem, wenn man ihn solo trinkt, etwas mehr Druck und Säure gutgetan hätte. Als Essensbegleiter aber sehr gelungen.

Erster Flight

Um die Runde auf die nun folgenden stillen Silvaner einzustimmen, haben wir uns für zwei Franken entschieden. Der 2019er Fürstlich Castell’sches Domänenamt Casteller Kugelspiel stammt vom Gipskeuper, der 2018er Rainer Sauer Escherndorf Am Lumpen 1655 vom Muschelkalk. Damit hat man die für Franken entscheidenden Formationen im Glas. 2019 war an diesem Abend der prägende Jahrgang. Das hat sich einfach so aus den Inhalten unserer Keller ergeben. Beide Weine sollten nicht wirklich in Konkurrenz zueinander treten, sondern einstimmen. Der Silvaner aus dem Kugelspiel entstammt einer Monopollage des Domänenamtes und ist eine VDP.Erste Lage, der Silvaner aus dem Kernstück des Escherndorfer Lumps ein Großes Gewächs. 

Das Kugelspiel bot einen feinwürzigen und nussigen Auftakt, bei dem ich Noten von Kurkuma, Blüten, gelben Früchten und Gestein wahrgenommen habe. Am Gaumen zeigte der Wein eine tiefe Würze (wieder etwas Kurkuma und auch Cumin mit dabei), eine feine Säure und eine helle Frucht. Der Wein wirkte etwas brav, leicht wässrig, fein mineralisch. Ein guter Auftakt. 

Der Silvaner aus dem Lumpen zeigte sich noch leicht reduktiv und steinig, zitrisch und frisch mit zunehmend gelber Frucht. Am Gaumen bot der Wein eine tolle Balance, eine feine, hellgelbe Frucht, wiederum zitrische Noten und Gesteinsnoten. Ein straffer Silvaner mit guter Tiefe und Länge, leicht salzig und feinwürzig im Finale. Ein toller Wein!

Zweiter Flight

Dieser Wein war ein Solist, den mir Andreas Roppel zur Verfügung gestellt hat und der in dieser Riege aus dem Rahmen gefallen ist. Ich wollte ihn trotzdem in einer größeren Runde öffnen – und hätte es mal lieber gelassen. Der Wein wirkte allzu verschlossen und an diesem Abend heillos überfordert mit der Konkurrenz. Das heißt aber keineswegs, dass das nicht ein Wein wird, der in einigen Jahren strahlen wird. Nur jetzt hat er es nicht getan. Worum geht es? Um den 2023er Pars Pro Toto Schlossberg 3238. Ein Wein aus dem Ickelheimer Schlossberg. Mit 1.700 m² ist das der größte noch wurzelechte Pfahlweinberg Deutschlands. Gepflanzt wurde wohl 1932 und 1938. Die Anlage hat 18 verschiedene Rebsorten mit Grünem Silvaner, Gelbem Silvaner, Blauen Silvaner, Weißem Elbling, Gelbem Muskateller, Rotem Muskateller, Weißem Riesling, Rotem Traminer, Adelfränkisch, Weißem Lagler, Weißem Heunisch, Kleinberger, Tauberschwarz, Rotholzigem Trollinger, Blauem Portugieser, Süßschwarz, Möhrchen und Hartblau. Der Ickelheimer Schlossberg wurde urkundlich schon im Jahr 741 erwähnt. Bis 2012 hegte die Gastwirtfamilie Heinlein diese wurzelechte Parzelle und schenkte den Wein in ihrem Ickelheimer Gasthof „Goldenes Kreuz“ aus. Es ist ein Glück, dass sich Andreas Roppel dieses Weinbergs angenommen hat. Der Wein wirkte duftig und leicht exotisch in der Frucht. Auch am Gaumen hatte er eher etwas Duftiges, insgesamt wirkte er zwar lebendig und agil und mit einer unterschwelligen Mineralität, aber verhalten und leichtgewichtig mit einer unbalancierten Säure und einer fehlenden Länge.

Dritter Flight

Zwei weitere Exoten bot der nächste Flight. Den 2020er Silvaner auf Zeit gab es nur einige wenige Jahre, weil David van den Höövel, seines Zeichens Kellermeister im Weingut Wagner-Stempel und mein Großcousin (verwandt über meine Mutter, die auch eine geborene van den Höövel ist), diesen Weinberg in seiner fränkischen Heimat quasi in Pflege übernommen hat. Der Weinberg ist der Steinbacher Nonnenberg, einTerrassenweinberg im Maintal zwischen Schweinfurt und Bamberg, der im Fischgrätmuster angelegt ist und wo es auch noch alte Mischsätze aus dem 19. Jahrhundert gibt. Jedenfalls hatte David den Weinberg vom Christian Zehendner (Gasthaus Zehendner in Ebelsbach-Gleisenau) gepachtet, nun aber an dessen Sohn übergeben, der ihn weiter bewirtschaften möchte. Die Pendelei zwischen Siefersheim in Rheinhessen und dem Weinberg war dann auf Dauer auch einfach zu kräftezehrend. Daneben stand der 2018er Silvaner 1883 Untereisenheimer Höll von Tom Glass. Die Eisenheimer Höll gilt als der zweitälteste Silvanerweinberg Deutschlands. Tom Glass betreibt den Weinbau hier im Nebenerwerb, während er im Hauptberuf Kellermeister bei Brennfleck ist. Er hat es von seinem Job aus also nicht so weit zu seinen Weinbergen. 

Der Silvaner auf Zeit war ein wunderschöner, vor allem duftiger Wein mit Anklängen von Minze und zerstoßenem Kalk, leicht exotischen Noten und weißfleischiger Frucht. Hätten wir es nicht besser gewusst, hätten wie hier vielleicht auf Weißburgunder getippt. Am Gaumen wurde der Wein dann straff, blieb dabei aber elegant und tänzelnd. Der 1883 zeigte sich noch leicht reduktiv und gereift vegetabil in Kombination mit einer eher gelben Frucht. Am Gaumen zeigte er eine Festigkeit mit einem nachvollziehbaren Gerbstoff. Er hatte es etwas schwer neben dem Charmeur und zeigt sich auch gereifter als eine Flasche 2019er aus der Magnum vor einigen Wochen – was man ihm aufgrund des anderes Jahresverlaufs auch nicht vorwerfen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt auf jeden Fall ein guter Essensbegleiter, was ja sowieso die Stärke dieser Rebsorte ist.

Vierter Flight

Weiter ging es mit zwei rheinhessischen Silvanern aus 2020. Der 2020er Attila des Weinguts Heiligenblut stammt aus der ältesten Silvaner-Parzelle innerhalb des Heiligen Blutbergs. Wer mehr zur Geschichte hören möchte: Es gab jüngst einen WRINT-Podcast dazu und auch vor längerer Zeit schon einen Originalverkorkt-Podcast mit den Brüdern Hannemann, die diesen Wein erzeugen. Daneben haben wir den 2020er Steinkante von Carsten Saalwächter gestellt. Für Bodenkundler: Der Attila (70 Jahre alte Reben) stammt vom Melaphyr in Alzey-Weinheim, der Steinkante (45 Jahre alte Reben) vom grauen Kalkstein. 

Der 2020er Attila ist ein absolut und im positiven Sinne verrückter Wein. Goldgelb und bronzefarben ist schnell klar, dass hier eine verlängerte Maischestandzeit mit im Spiel war. Der Wein duftet ätherisch, zestig, ganz leicht rauchig und jodig, dazu nussig mit Anklängen von Trockenblüten, Safran, getrockneten Früchten und Ingwer. Am Gaumen ist das ein tiefer, gleichzeitig ungemein frischer, saftiger und ganz klarer Wein mit feinem Schmelz und viel Energie. Zudem wirkt er knalltrocken. Ich betone das, weil er über gerade einmal 9,5 % vol. Alkohol verfügt und dem Wein nichts, aber auch gar nichts fehlt. Der 2020er Steinkante stammt aus dem Weinberg oberhalb des Grauen Steins, der noch etwas windoffener und kühler ist und den Carsten 2020 erstmals vinifiziert hat. Es ist ein typischer Saalwächter-Wein, der gekonnt mit Reduktion und Oxidation spielt, komplexer wirkt als die Alten Reben, aber nicht so tief wie der Graue Stein. Ein schöner, moderner Silvaner, der mit wenig Frucht hantiert, ohne karg zu sein, dafür aber mit Textur und Struktur, mit feiner Salzigkeit und feinstem Schmelz, Gripp und viel Energie, Druck und schöner Länge. 

Fünfter Flight

Mit dem nächsten Flight haben wir zwei 2019er Silvaner ins Rennen geschickt, die zwei Große Gewächse sein könnten, wenn der 2019er Keller Silvaner Feuervogel es sein dürfte. Doch der VDP Rheinhessen hat sich leider einst gegen den Silvaner als GG ausgesprochen. Anders natürlich die Franken, weshalb es sich beim 2019er Rudolf May Retzstadter Himmelspfad auch um ein solches handelt. Der Feuervogel stammt meines Wissens vom Kalkmergel und Muschelkalk und von mehr als 60 Jahre alten Reben. Der Himmelspfad vom kargem Muschelkalk mit Reben von 1963. 

Der Feuervogel wirkte im Duft klassisch, feinfruchtig, saftig, leicht würzig mit floralen Anklängen und Gesteinsnoten. Am Gaumen konnte er uns nicht so recht überzeugen, denn dort wirkte der Wein recht süßfruchtig mit wachsigen Noten, dazu etwas nasspappig und auch etwas kurz. Da war vielleicht ein versteckter Korkschleicher mit im Spiel oder auch eine Botrytis, jedenfalls hatte der Wein keine rechte Strahlkraft. Der Himmelspfad ist deutlich reduktiver gestartet, hat sich dann geöffnet und Noten heimischen Obstes wie Mirabelle und Reneklode mit nussigem Holz und durch das Holz hervorgerufenen exotischen Noten wie Ananas verbunden. Am Gaumen wirkte der Silvaner reif, ganz leicht fruchtsüß, wiederum exotisch mit Würze, erdig-mineralischen Noten und einem pikanten Finale.

Sechster Flight

Dieser Flight gehörte zusammen mit dem folgenden zu den absoluten Höhepunkten der Probe. Dem 2019er Maustalhatten wir den 2019er Creutz der Zehnthofs Luckert entgegengestellt. Das Große Gewächs also im Vergleich mit dem gemischten Satz von Grünem, Blauem, Gelben und Rotem Silvaner aus dem Gewann Creutz im Sulzfelder Sonnenberg. 500 m2 sind es, die die Luckerts 2008 vor der Rodung retten und übernehmen konnten. Die wohl älteste Silvanerparzelle der Welt liegt mitten in einem Wohngebiet und sollte einem Bauvorhaben Platz machen. Vorhanden sind noch 800 Stöcke mit einer heute völlig unüblichen Pflanzdichte von lediglich 50 cm Abstand zwischen den Stöcken. Die Köpfe der Rebstämme sind aufgrund der früheren fränkischen Kopferziehung fast gänzlich im Boden verschwunden. 

Der Maustal ist ein Großes Gewächs, wie man es sich wünscht. Zu Beginn noch ein Hauch von Reduktion und Rauch, der schnell verfliegt. Dahinter dann Noten von Kräutern, Lemoncurd, Mandeln und feiner, gelber Steinobstfrucht. Am Gaumen ist das ein subtiler Wein mit einer cremigen Textur, feiner kalkigen Struktur und Mineralität, tief und lang, allerdings auch hier mit feiner Extraktsüße in der Frucht. Der Creutz hat noch einmal eine andere Dimension und ist auch ein anderer Wein. Er wirkt tiefer, extrovertierter und introvertierter zugleich mit einer fordernden Würze. Hier hat man einerseits Reineclauden und Mirabellen, andererseits Anklänge an Mostbirnen, Tabak, Heu, Kalk und Kurkuma. Am Gaumen dann verbindet sich die gelbe Frucht mit einer prägnanten Würze sowie einer tiefen Mineralität. Ein Wein, dem man am besten allein oder zu zweit über einen ganzen Abend gerecht wird, so viel lässt sich hier ablesen zwischen Erdverbundenheit und tänzelnden Passagen. 

Siebter Flight

In dieser Pairing haben wir nun zwei Silvaner von Richard Östreicher nebeneinandergestellt, und zwar den 2019er Sommeracher Katzenkopf »Augustbaum« neben den 2019er Volkacher Ratsherr »Maria im Weingarten«. Das waren zwei großartige Burgunder Silvaner, die zeigen, wie fein und elegant diese Sorte werden kann und in Sachen Finesse ist das hier noch mal ein anderer Ansatz als bei den ebenso hervorragenden Silvanern der Familie Luckert.

Augustbaum ist ein alter Gewannname für eines der Filetstücke innerhalb der großen, nichtssagenden Lage Sommeracher Katzenkopf. Sie ist geprägt von dort einzigartigem sandigem Muschelkalkboden und bestockt mit 40 Jahre alten Reben. Maria im Weingarten hat den Namen von der berühmten Wallfahrtskirche Maria im Weingarten, die man direkt oberhalb der Parzelle findet. Der Boden der alten Reben ist auch geprägt von Muschelkalk, ist aber skelettreicher, außerdem ist er lehm-, ton- und eisenhaltig. 

Was für ein zarter, schwingender, feiner Auftakt beim Augustbaum. Der Wein hat sich über die Jahre wirklich hervorragend entwickelt! Man merkt natürlich schnell, dass es hier um Silvaner und nicht um Burgunder geht, mit dieser gelben Würze und diesem Hauch von Selleriestange. Dazu findet man eine weißfleischige Frucht, etwas Rauch, Hefe und Nüsse, darüber Kräuternoten und Blüten. Am Gaumen dann wieder das Wechselspiel aus Frucht und Holzeinsatz, wiederum zart und doch so nachhaltig. Dazu wiederum Würze vom Holz, vom Gestein, von irgendwoher. Es ist ein fein gewirkter, balancierter, nie lauter Wein mit feiner Salzigkeit im Finale. Maria im Weingarten wirkt wie ein Geschwister, nur in allem noch etwas ausdrucksstärker. Zu Beginn ist der Silvaner ein wenig reduktiver, öffnet sich aber schnell, wird auch hier duftig, gelbfruchtig, würzig, etwas schwebender und gleichzeitig tiefer mit einer feinen, saftigen Frucht und ganz dezenten nussigen Holztönen und ebenso feinen Spuren von Rauch und Erde. Ein Silvaner für die Meditation mit großer Balance und Tiefe, Länge und einer tiefen, schwingenden Mineralik. 

Achter Flight

Dass die nachfolgenden Weine es ein bisschen schwer haben würden nach den beiden Flights davor lag auf der Hand, aber die Idee war, die Weine, die mehr Kraft und/oder Wucht haben, weiter hinten zu platzieren. Und die beiden nachfolgenden Weine haben der Rebsorte alle Ehre bereitet. Den Porzelt Gleiszellen Kirchberg Silvaner hatte ich im Jahr 2024 erstmals beim Internationalen Silvaner-Forum im Glas gehabt, mehrfach blind bewertet, hoch gelobt und mir dann später den Namen des Weines geben lassen. Es gibt auch einen Wein am Sonntag dazu. In diesem Fall handelt es sich um den 2019er Kirchberg Silvaner 500.7, also den siebten Jahrgang dieses Weines, ausgebaut im 500er Tonneaux. Daher der Name. An seiner Seite stand ein 2019er Domaine Weinbach Sylvaner der Familie Faller aus dem Elsaß. Der Pfälzer Kirchberg ist ein massiver Kalkbuckel mit Mergeleinlage. Der Elsässer stammt von alten Rebstöcken aus der Monopollage Clos des Capucins von sandigem Schlickböden auf Granitkieseln. Hier wurden neutrale, größere Eichenfässern verwendet. Beide Weine waren tatsächlich üppiger in ihrem Charakter mit deutlich mehr Frucht, die bei beiden Weinen ein wenig an Obstsalat erinnerte. An sehr guten Obstsalat wohlgemerkt! Der Porzelt wirkte zudem wunderbar cremig, duftig, zestig mit einer feinen Säurestruktur. Ein höchst sinnlicher Wein. Der Weinbach Silvaner wirkte noch ein bisschen reifer in der Frucht, dazu zestiger, sehr saftig und voll, aber ebenso strukturiert. Tatsächlich hatten es die beiden Weine gar nicht schwerer nach den Östreichern. Umgekehrt wäre es komplizierter geworden. 

Neunter Flight

Noch weiter in den Süden ging es dann mit dem 2018er Dr. Heger Silvaner *** »Pferd Willi«, dem wir einen 2018er Rudolf May »Der Schäfer« nebenan gestellt haben. Der Willi stammt aus einer Parzelle des Ihringer Winklerbergs, die mit Hilfe des Kaltblüters Willi bewirtschaftet wird. Daher der Name. 45 Jahre alte Reben auf Vulkanverwitterungsgestein, spontan vergoren im großen Holz und darin lange auf der Feinhefe ausgebaut. Ein Wein, der aus einer der heißesten Ecken Deutschlands stammt und dann auch noch aus einem der heißesten Jahre. Da kann man ihm nicht vorwerfen, dass er vielleicht die beste Zeit schon hinter sich hat. Ein Wein, der etwas schwer und kraftvoll wirkte, an (saubere) Botrytis erinnerte mit seinen leicht herbwürzigen Noten, dazu an Wachs, an reife Quitte und Quittenbrot, Birne, Fenchelsaat und Gestein. Der 2018er Schäfer dagegen stand noch voll im Saft. Es ist bei May immer der Wein mit dem größten schmeckbaren Holzanteil. Das liegt daran, das hier jedes Jahr ein neues Doppelstückfass aus heimischer Spessarteiche Verwendung findet, das danach für die Großen Gewächse genutzt wird. Hier nutzen die Mays 50 Jahre alten Reben in der 1. Lage Retztaler Langenberg, durch den einst ein Schäferpfad führte. Der Boden ist ein skelettreicher Muschelkalkboden. An diesem Wein schieden sich ein wenig die Geister, wie an anderen Weinen auch. Manche mögen Reduktion, andere nicht. Manche mögen lange Maischestandzeiten, andere nicht. Hier war es das Holz, das die einen wunderbar fanden in ihrer Ausprägung und den andern immer noch zu dominant war. Mir ist es zu dominant. Ich bin kein Fan von neuem Holz bei Silvaner. Das bringt immer eine Exotik in den Wein, die ich nicht mag. Ich muss aber anerkennen, dass das ein in sich stimmiger, voller Wein mit einer höchst eleganten, cremigen Textur war. Und ich schätze die Eigenständigkeit dieses Weines. Nur die Ausprägung der Frucht und des Holzes gefällt mir hier nicht. 

Schließlich gab es noch eine der immer seltener und seltener werdenden Flaschen von Axel Koehler. Eine 2010er Auslese Silvaner aus der früher Krähberg genannten Lage. Wenn man Silvaner als süße Auslese ausbaut, dann so. Natürlich hat sie nicht die Säurespannung einer Riesling-Auslese oder erst recht eines Rieslaners, aber der Wein hatte Spannung, hatte viel saftig gelbe Frucht, viel gelbe Würze, war in Balance mit leicht zestigen Noten zum Schluss. Ein würdiger Abschluss!

Bedauerlich ist ja, dass man irgendwann Schluss machen muss. So sind viele Weine einiger meiner Lieblingswinzer nicht mit dabei. Aber geht halt nicht anders. Es muss noch mal ne zweite Probe her, damit auch Weine von Carl Walther, Daniel Sigmund, Konni & Evi, Andreas Durst, Marie Adler, Andi Weigand, Chris Barth und und und Erwähnung finden …

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2 Kommentare

  1. Tilmann

    Schöner Artikel, der meine Herzensrebsorte toll repräsentiert… die so vielseitig ist und leider so oft auf den Spargel reduziert wird. Tipps wären noch Rothe und Rainer/ Maxi Zang (Nordheim) und Egon Schäffer (Escherndorf). Eine zweite Folge auch mit Südtirol wäre toll! Dankeschön!

  2. Ja, das ist ja immer so eine Sache, wenn man zu zweit eine solche Probe zusammenstellt. Ich hätte noch 20 Weine mit dazu nehmen können inkl. den Silvaner von meinem Freund Daniel Sigmund, aber den hatte ich vergessen einzupacken.

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