Eine denkwürdige Probe mit Muscadets von 2022 bis 2001

Zu meinen frühen Weinerfahrungen gehören die Muscadets aus dem Nantais. Das verdanke ich meinem Onkel Michael, der schon Anfang der 1990er Jahre in seinem damaligen Bio-Laden am Niederrhein Weine der Domaine de l’Ecu angeboten hat. Die Domaine de l’Ecu, lange von Guy Bossard geführt, war ein früher Vorreiter der Biodyn-Szene an der Loire und gehört auch heute unter der Leitung von Fréd Niger zu den besten Domaines dieser Region. 

Der Melon de Bourgogne im Nantais
Muscadet ist die Bezeichnung für einen Wein, der im Nantais, also am Unterlauf der Loire in der Nähe von Nantes entsteht und aus Melon de Bourgogne erzeugt wird. Der Melon, der mittlerweile vom Loire-Verband als Muscadet bezeichnet wird, weil ihnen der Name Melon de Bourgogne ein wenig irreführend vorkommt, ist eine Rebsorte, die eng verwandt ist mit Chardonnay, Aligoté, Gamay, Tresallier und Romorantin. All diese Rebsorten, die aus dem Burgund kommen, stammen von den Rebsorten Pinot und Gouais Blanc (Weißer Heunisch) ab. Dem Melon erging es im Mittelalter ähnlich wie dem Gamay: Er wurde aus den burgundischen Weinbergen vertrieben. Schon im 16., vor allem aber im 17. Jahrhundert wurde die Rebsorte an der Loire erwähnt, wo sie ein zweites Zuhause gefunden hat. Allerdings wurde sie damals nicht etwa für besondere Weine angepflanzt, sondern war Grundlage für Destillate. Die Destillation war zu jener Zeit fest in der Hand von Niederländern. Sie hatten die Erzeugung des Brandewijn bereits im Cognac etabliert und taten dies auch im Nantais. Tatsächlich war sowohl die heute noch im Nantais gebräuchliche Folle Blanche als auch der Muscadet mit seiner dezenten Aromatik für Branntwein sehr geeignet. Möglicherweise hat die Sorte auch von den Niederländern ihren Namen erhalten; denn die Niederländer fügten dem Wein gerne Noix de Muscade hinzu, also Muskatnuss. 

Die Französische Revolution und die Reblauskatastrophe führten im Nantais zu Verwerfungen, die zunächst einen weitgehenden Niedergang bewirkten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstand der heute bekannte knochentrockene Weinstil des Muscadet sur lie, bei dem der Ausbau auf der Feinhefe (sur lie) für eine besondere Textur und eine feine Aromatik sorgte. Erst seit dieser Zeit wurde der Muscadet auch der kongeniale Begleiter dessen, was an der Küste des Nantais aus dem Meer geholt wird: Muscheln und sonstige Meeresfrüchte passen hervorragend zu seinem trockenen, cremigen und leicht zitrischen Geschmack. Heute gibt es in der Bretagne kaum einen Flecken, an dem der Wirt nicht automatisch ein Glas Muscadet zu den gereichten Austern stellt, wobei ich ausgerechnet Austern gar nicht für die ideale Begleitung halte, sondern viel mehr Buchot-Muscheln oder Schwertmuscheln, die es bei dieser Probe gab. 

Vom Billgwein zum Cru
Es waren Winzer wie Guy Bossard mit seiner Domaine de l’Ecu, Marc Ollivier mit der Domaine de La Pépière und Jo Landron, die ab den 1980er Jahren den Muscadet noch einmal neu erfunden haben. In den 1990er Jahren stießen Pierre-Marie und Marie Luneau-Papin zu diesem kleinen Kreis. Mit aufwendiger Bodenarbeit, mit dem Verzicht auf Herbizide und Pestizide und der Umsetzung des Terroir-Gedankens haben sie die Grundlage für eine alternative Muscadet-Szene geschaffen, die sich in den letzten Jahren enorm entwickelt hat. Die Basis sind bis heute Klassiker, die schon ihre Herkunft im Namen tragen: GneissOrthogneiss oder Granite von l’Ecu zeigen, was für ein exzellenter Terroir-Übersetzer der Muscadet sein kann. Bei Jo Landron übernimmt diese Aufgabe der l’Amphibolite. Doch es gibt noch deutlich mehr unterschiedliche Böden. Gabbro zum Beispiel, Sandstein, Sand, Schluff und auch Schiefer zeigen sich unter anderem in den zehn Cru-Village-Appellationen wie Clisson, Le Pallet, Gorges, Goulaine, Mouzillon-Tillières, Monnières-Saint-Fiacre, Château-Thébaud, Goulaine, La Haye Foussaière und Vallet. Neben den Altmeistern gibt es nun auch eine neue Generation von Winzern, wie dem Sohn von Jo Landron, Manu Landron der mit seiner Lebensgefährtin Marion Pescheux, die das Weingut Complemen’Terre gegründet haben, oder Jérome Bretaudeau, dessen Weine gerade durch die Decke gehen. 

Dass man Muscadet lange Zeit deutlich unterschätzt hat, wird schnell klar, wenn man einmal einen zehn Jahre oder länger gereiften Wein ins Glas bekommt. Muscadet kann – ebenso wie seine anderen direkten Verwandten – hervorragend und in Würde altern. Und er harmoniert zu weit mehr als zu Muscheln und Austern. Ich habe über Jahre hinweg Muscadets gesammelt und einige davon in der 129. Probe geöffnet, die in dem von mir vor längerer Zeit mitgegründeten Bonner Weinzirkel stattgefunden hat, an dem ich immer noch sehr gerne teilnehme. Der jüngste Wein war ein 2022er Melon aus seiner Ursprungsregion, dem Burgund, der älteste ein 2001er von der Domaine de l’Ecu. Da in der Gruppe bepunktet wurde, schreibe ich den Querschnitt der Bepunktung im 20er-System mit dazu. 

Die Probe beginnt mit einem Schäumer
Es gibt kaum Schaumweine aus Melon, weshalb mein Sparingspartner Jörg sich zu Beginn für einen Atmosphères Non Vintage von Jo Landron entschieden hat, der aus Folle Blanche, Chardonnay und Pinot Noir erzeugt wird. Ein runder Schäumer, der als Vin Mousseux, also als Perlwein bezeichnet wird, wobei Petillant Naturell wohl eher der richtige Begriff wäre. Er kommt während der Gärung mit 24 g/l Restzucker auf die Flasche und gärt dann in Richtung 5g/l. Cremig ist er, zeigt neben zitrischen Noten und etwas Jod auch dunkelbeerige Noten, sowie herb würzige. Ein wenig mehr Frische und Säuredruck wären hier schön gewesen.

Der Auftakt
Den eigentlichen Beginn bildet das Paar des 2022er Melon (de Bourgogne) von La Sœur Cadette (15,61/20) und des 2021er Melonix von Jo Landron (16,47/20). Der Melon von La Soeur Cadette stammt aus Saint-Père direkt neben Vézelay. Der Ort ist berühmt für seine Kirche, als Wallfahrtsort und als Ausgangspunkt für einen der bekanntesten Jakobwege und liegt im Burgund zwischen Auxerre und Dijon. Hier hat Jean Montanet 2004 sein Weingut Domaine de la Cadette gegründet, nachdem er vorher Präsident der Genossenschaft von Vézelay war. 2011 ist Sohn Vincent mit eingestiegen und hat das Label La Sœur Cadette begründet. Das war der einzige Melon vom Kalk, und zwar von alten Reben, spontan vergoren und im alten Holzfass ausgebaut. Der Wein wirkte hell und frisch, recht fruchtig und rund, ja fast weich. Olfaktorisch lag das zwischen Apfel, Birne, Salzmandel und Kräutern. Ein einfacher, schmackhafter Melon mit guter Länge. Der Melonix von Jo Landron ist ein Vin den France. Es ist Jos Melon ohne Schwefelzusatz, ohne Filtrierung und mit biologischem Säureabbau. Der 2021er wirkt in der Nase wild mit einer leicht aus dem Ruder gelaufenen Reduktion, die aber vergeht. Dafür ist der Wein am Gaumen klar und bei sich. Ein Wein mit Festigkeit und Biss; trocken, stoffig mit einer gewissen kühlen Anmutung, nussigen Noten, Salz, zitrischen Noten und Kernobst. Spontan vergoren, ausgebaut im Beton. Ein erstes Ausrufezeichen. 

3 x Expression der Granite
Weiter ging es mit drei Expression de Granite, wobei ersterer, nämlich der 2018er Domaine de l’Ecu Granite(18,28/20) die Expression nicht mehr im Namen trägt. Es folgte der 2001er Domaine de l’Ecu Expression de Granite (14,28) und ein 2008er Domaine de l’Ecu Expression de Granite (17,20, Platz 2) aus der Magnum zu Schwertmuscheln mit Petersilie und Butter aus dem Ofen bzw. zu Lauch-Champignon-Tarte. Der 2001er Granite war der einzige Wein, den wir als zu alt empfunden haben, wobei Thomas Riedel, der auch fürs Essen verantwortlich war, eine Lanze für diesen Wein gebrochen hat. Der 2018er Granite ist ein gelbfruchtiger Wein, dessen reife Frucht sich mit einer leichten Reduktion und einer wilden Hefenote mischt. Am Gaumen zeigt sich der warme Jahrgang in einer Mischung aus gelber Frucht, etwas Honig und Wachs, Austernschalen und Sternfrucht. Der Wein ist gut, aber im fehlt es ein wenig an Säure und man merkt schon die Reife. Ich würde sagen: typisch 2018. Der 2001er Granite zeigt definitiv eine gereifte Nase, die mancher am Tisch als unangenehm bezeichnet hat. Es wollte nicht mal jeder punkten, weil der Wein als zu alt empfunden wurde. Alt war er, unangenehm auf keinen Fall. Das Alter zeigte sich in Noten von Wollwachs und Nougat mit schwarzem Tee. Am Gaumen war das immer noch ein Wein mit Ausdruck. Auf der Höhe seiner Möglichkeiten erschien mit der 2008er Granite aus der Magnum. Was für ein famoser Wein! Er hatte alles, was ich an der Rebsorte so mag: Er wirkte frisch und zitrisch, lebendig und tonisch mit Noten von Kernobst, Agrumen, Salz, Stein, Kräutern, Zesten und Pfeffer. Ein Wein mit Finesse, der völlig zeitlos wirkte, einen feinen Biss hatte und die für Granit so typische eher runde und doch prägende, lebendige Säure und eine dezent vibrierende Mineralität. Schade, dass ich davon keine weitere Flasche mehr habe. Alle Weine stammen von Granit-Lagen in Clisson, lagen (alle anderen auch) zwischen 12 und 12,5 vol. % und wurden im Zementtank ausgebaut. 

Zwischenspiel
Der Gwin Evan der Domaine du Haut-Planty hatte leider Kork. Der 2014er L’Ancestrale des Châteaus du Coing in Saint-Fiacre (16,78) stammt aus dem Weingut des wunderschönen Schlosses, das im italienisch anmutenden Clissonnais-Stil erbaut wurde. Das Weingut gehört zu den Vinobles Günther-Chereau, zu denen auch das Château de la Gravelle in Gorges und Le Grand Fief de la Cormeraie in Monnières gehören. Es ist ein Mutter-Tochter-Weingut, dessen 75-Hektar-Weinberge alle seit 2010 auf biologischen Weinbau umgestellt wurden. Der Wein stammt von einem Weinberg direkt am Zusammenfluss der Sèvre und des Maine, auf einem nach Süden ausgerichteten Hang mit Gneis, Glimmerschiefer und Amphibolit. Er wurde 17 Monate auf der Hefe im Beton belassen und 45 Monate insgesamt ausgebaut. Es war der erste Melon mit leicht exotischen Noten, Mirabelle, etwas Rhabarber und Zesten. Am Gaumen hatte er einen guten Zug, wirkte frisch und saftig, angenehm trocken und herb. Ein guter Wein aus einem guten Jahrgang. 

Vater und Sohn Landron
Nun kam ein Pairing von Vater und Sohn aus der Lage Breil, die im Cru Communaux La Haye Foussaière liegt. Das Weingut von Jo Landron befindet sich auch am Impasse du Fief du Breil. Es arbeitet seit 1999 biologisch und ist seit 2002 biologisch und biodynamisch zertifiziert. Der kleine Winzer mit dem großen Moustache ist eine Institution in der Region. Sein Sohn Manu hat sich mit seiner Lebensgefährtin Marion Pecheux 2013 selbständig gemacht und hat einen Anteil Le Breil vom Vater erhalten. Le Breil ist eine Lage mit Orthogneiss, Quarz und metamorphem Granit. Die Reben sind rund 40 Jahre alt. Der 2015er Le Fief du Breilder Domaines Landron (15,78/20) lag 30 Monate in mit Glas ausgekleideten Zementtanks, bevor er gefüllt wurde. Er war ein dezenter, feiner, finessenreicher Wein, der eine dezent rauchige Note mit Zesten und kernigem Obst. Am Gaumen wirkte der Wein auskleidend dicht und cremig, in der Mineralität aber lebendig, in der Säure frisch und elegant in der prägenden Textur. Der 2014er Complémen’Terre Le Breil (15,90/20) war der erste Jahrgang dieses Weines, der im Laufe der Zeit mit mehr Erfahrung noch besser geworden ist. Aber auch dieser Jahrgang hatte schon Klasse, Tiefe und Struktur mit Noten von hellem Steinobst, Grapefruit und Salzzitrone. Beide Weine waren gut und sehr typische Muscadets, bei denen man sich vielleicht insgesamt etwas mehr Tiefgang hätte wünschen können.

Einfache Klasse
Den hatte der 2015er Château-Thébaud der Domaine de la Pépière (17/20, geteilter zweiter Platz). Wie der 2008er Domaine de l’Ecu Granite bildete dieser Wein für uns den Maßstab für perfekten Muscadet. Ein Wein mit Klasse, die er durch die Hintertür zeigt. Ein Wein mit Eleganz und Finesse, mit einem zeitlosen Charakter dessen zehn Jahre Reife man ihm nur in der Tiefe angemerkt hat. Ein Wein, der leise, aber eindringlich wirkt, der nicht verkopft ist, sondern tiefenentspannt, dabei aber Spannung und Mineralität, Länge und Finesse bietet. Was will man mehr für einen Wein, für den man keine 20 Euro bezahlt? Das hat einfach klasse! 

Ein Zwischen-Barrique
Der 2009er Mature der Domaine Bideau-Giraud (16,35/20) ist ein absoluter Sonderfall. Ein Muscadet, der im Barrique ausgebaut wurde und dem man auch nach 16 Jahren noch die Jugend des Fasses anmerkt. Unser Eindruck war: zu jung, das Holz muss sich noch einbinden (was es wohl nicht mehr tun wird). Aber auf der anderen Seite hatte der exotisch duftende Wein Länge, Tiefe, Struktur und war präzise gemacht.

Excelsior vom uralten Weinberg
Ich weiß nicht genau, wann der kommende Wein einfach Semper Excelsior heißt und wann zusätzlich noch die Lage Clos des Noëlles darauf steht, denn der Muscadet kommt immer aus diesem Clos in der 1936 gepflanzten Lage La Plécisière im Dorf La Chapelle-Heulin. Es handelt sich um einige der ältesten Reben des gesamten Nantais. Der Boden besteht aus Schiefer und Glimmerschiefer. Die Lage gehört zum Cru Communal Goulaine. Nach Spontanvergärung erfolgte die Reifung auf der Hefe in unterirdischen, mit Glas ausgekleideten Zement-Cuves für 36 Monate. Der 2015er Semper Excelsior der Domaine Luneau-Papin (17,05/20) stand neben dem 2002er Semper Excelsior Clos des Noëlles (16,78/20). Der 2015er zeigte sich unglaublich frisch und präzise mit einer Laser-Säure, vibrierender Mineralik und enorm viel Druck. Dazu gab es eine feine Hefe-Textur und eine helle Frucht. Der 2002er war zwar nicht ganz so gut, wie die Flaschen, die ich bisher geöffnet hatte, aber trotzdem ein toller Wein! Es gab Reifnoten von Assam-Tee, Quitte, reifer Zitronenzeste, kandierten Orangen, von leicht gerösteten Nüssen und Karamell. Am Gaumen wirkte der Muscadet reif, rund und seidig mit Kraft und Energie, leicht herb zestigen Noten und einer glasklaren, reifen Säure. 

Die Überflieger
Mit dem 2018er Carpe Diem (17,30/20, erster Platz) sowie dem 2014er Taurus (17/20) kamen zwei weitere Weine der so wichtigen Domaine de l’Ecu auf den Tisch. Alles seit Jahrzehnten biodynamisch bewirtschaftet (seit 1975 biologisch, seit 1998 biodynamisch zertifiziert), keine Pumpen, nur Gravitation, keine Zusätze außer wenig Schwefel. Der Carpe Diem wurde zu 100 % in Amphoren ausgebaut, der Taurus zu 50 % und zu 50 % In Stockinger-Tonneaux. Der Boden ist geprägt von Glimmerschiefer und Granit. Der Carpe Diem war ein Wein, der beeindruckend floral und schwebend wirkte und das mit einer ganz leichten Reduktion verbunden hat. Weiße Blüten, etwas Rose, dazu Anis und Lorbeer, Verbene, Zesten und Apfel. Am Gaumen war das ein balancierter, straighter, fester, tiefer und langer Muscadet mit viel Meeresgischt, Austernschale, Jod, Salz und Seegras. Im Gegensatz zum 2018er „Granite“ desselben Weinguts und des noch kommenden Gaïa merkte man diesem Wein die Wärme des Jahrgangs nicht an. Der Taurus war vier Jahre älter und ebenfalls ein kleines Monument voller Tiefe und Lebendigkeit. Der Melon ist 55 Jahre alt und stammt aus einer anderen Lage mit Glimmerschiefer und Orthogneiss. Ein Wein, der durchaus einen leichten Jura-einschlag hat mit der gekonnten Mischung aus Reduktion und Oxidation. Auch dieser Wein wirkt dazu floral duftig, hat Noten von Fenchel und Anis, Zesten, getrockneten Zitronenscheiben, leicht gerösteten Nüssen und Mandeln, Stein und Flechten. Am Gaumen schlägt das Jodige durch, dazu gibt es eine ganz feine Extraktsüße, eine tiefe Frucht und eine beeindruckende Länge, in der die Säure für Spannung und die Mineralität für leichten Schüttelfrost sorgt.

Ähnlich und doch ganz anders präsentiert sich der 2018er Gaïa von Jérome Bretaudeau und der Domaine de Bellevue (17,10/20). Das ist aktuell der heiße Scheiß im Nantais. Der Mann ist Winzer des Jahres 2025 in der Revue du Vin de France geworden, bringt einen Nantais-Pinot Noir auf den Markt mit dreistelligem Preis und macht wirklich gute Weine. Allerdings ist er in dieser Domaine nur noch Winzer, denn er hat den Betrieb 2023 an Billecart-Salmon verkauft, wo er seit vielen Jahren in Sachen Biodynamie beratend tätig war. Den Gaïa, der im Beton-Ei ausgebaut wird und dessen Reben in Gabbro wurzeln, habe ich im letzten Jahr aus den Jahrgängen 2018 bis 2021 probiert und tatsächlich gefiel mit der 2018er am wenigsten. Das aber auf hohem Niveau. Das ist ein großartiger Muscadet, den man aber als solchen wahrscheinlich nicht erkennen würde. Es ist eher ein Wein für eine Burgunder-Probe. Ein voller, intensiver, aromatisch dichter Wein mit Feuerstein-Reduktion, viel Zeste, etwas Steinobst, Kernobst und einer leichten Schärfe im langen Finale. Ich schätze, wenn die Trauben ein paar Tage früher gelesen worden wären, hätte man hier, wie in anderen Jahrgängen noch zusätzlich mehr Dimensionen von Atlantik und Austernschalen im Wein gehabt. Trotzdem, das hatte Tiefe, Komplexität und war ein würdiger Abschluss einer wahrscheinlich einzigartigen Probe.

Das Fazit
Der Muscadet ist einer der am stärksten unterschätzten Weine Frankreichs, was auch für die Rebsorte Melon de Bourgogne gilt. Das liegt auch daran, dass Muscadet in großen Mengen zu kleinen Preisen in simpler Qualität im Supermarkt verschachert wird. Wenn man ihm Liebe und Zeit widmet, dann wird daraus ein Wein, der exzellent reifen kann und dessen Zusammenspiel von Rebe und diesen tiefenvulkanischen Gesteinen wie Granit, Glimmerschiefer, Gabbro etc. für eine ganz eigene Säurespannung sorgen, die dezent wirkt, es aber nicht ist. Verwandt mit dem Aligoté, wirkt der Melon immer etwas ruhiger und runder, dafür aber nie nervig. Er hat sicher nicht das Potenzial des Chardonnays, aber man kann mit ihm hervorragende Weine erzeugen, die nie langweilig werden. Ich sage das mal so aus eigener dreißigjähriger Erfahrung. Man kann mit der Sorte experimentieren und großartige Weine wie den Carpe Diem, den Taurus oder den Gaïa erzeugen, aber am stärksten präsentiert er sich eigentlich in seiner natürlichsten Form, wenn er mit langem Hefelager im neutralen Zement ausgebaut wird und nicht mehr sein will, als er ist. Wenn das gekonnt vinifiziert wird wie beim Château Thébaud der Domaine de la Pépière oder dem Expression de Granite der Domaine de l’Ecu, dann ist das ein großartiger Wein zum vergleichsweisen kleinen Preis für jede Gelegenheit, der ein sehr guter Speisebegleiter ist, sich nie in den Vordergrund spielt, aber einen guten, bleibenden Eindruck hinterlässt. 

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